Fortsetzung von Seite 12
Am Anfang der Kampagne
stand ein Fernschreiben . Kein
Witzbold, sondern das Münch–
ner "Institut für Jugendfor–
schung, Markt und Meinungs–
forschung GmbH"
(IJF)
ver–
breitete darin die sensationelle
Presseinformation zum hono–
rarfreien Nachdruck: Schläge
austeilende Lehrer bevölkern
die Schullandschaft in Scharen!
Auf dem flachen Land und in
Kleinstädten wird mehr geprü–
gelt als in den Metropolen. Am
häufigsten aber in Bayern.
"Hier sehen sich"- so das Insti–
tut - " 53 Prozent der Schüler
handgreiflich lehrenden Päd–
agogen ausgesetzt." Mit ande–
ren Worten: Bei jedem zweiten
Schulkind im Freistaat sollen
Ohrfeigen, Kopfnüsse und
Stockschläge ebenso im Stun–
denplan stehen wie Mathema–
tik, Deutsch und Sport.
Ein böses "Schlaglicht" fiel
damit auf unsere Lehrer. Der
gewaltige Presserummel , den
das Fernschreiben auslöste,
ließ sie über Nacht als brutale
Schläger im Klassenzimmer er–
scheinen . Proteste der Lehrer
und Zweifel der Eltern an der
Wahrheit der Meldung wurden
laut. Aber das Münchner Insti–
tut berief sich auf eine Befra–
gung von gut
1000
Schü lern
zwischen 6 und 15 Jahren aus
der Bundesrepublik und West–
Berlin, darunter auch
173
Jung–
bayern.
So sicher war das IJF-Institut
für Jugendforschung seiner Sa–
che, daß es den Einspruch des
Kultusministeriums gleich als
Geschäftsschädigung
ansah
und sogar den Gang zum Kadi
erwog. Die Meinungsforscher
taten gut daran, ihn zu unterlas–
sen. Als nämlich Bayerns Kul–
tusministerium der Sache nach–
ging und die Erhebungsunterla–
gen fachmännisch prüfen ließ,
kamen die Kardinalfehler der
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Prügelumfrage ans Licht:
1.
Die Fragestellung der Erhe–
bung war unpräzise und mußte
in die Irre führen.
2. Die erhobenen Daten besit–
zen keine Beweiskraft für Un–
terschiede zwischen den ein–
zelnen Bundesländern.
3. Die erhobenen Daten besit–
zen keine Beweiskraft für einen
unterschiedlichen
Prügelbe–
fund in Stadt und Land.
4.
Die ohnehin anfechtbaren
Ergebnisse der Meinungsumfra–
ge wurden auch noch fehlerhaft
gedeutet.
Damit erwies sich das Fern–
schreiben des IJF-Instituts, das
die Pressekampagne von den
Prügellehrern ins Rollen brach–
te, als wahre Brutstätte für Zei–
tungs-" Enten''.
Das A und 0 jeder Mei –
nungserhebung ist zunächst die
saubere Fragestellung. Hapert
es daran, sind alle Ergebnisse
von vornherein anfechtbar. Nur
eindeutige Fragen führen zu
klaren Ergebnissen, unpräzise
aber zu verschwommenen und
mehrdeutigen. Was müßten
z. B. Fußballfans antworten auf
die Frage: "Kam es schon ein–
mal vor, daß im Stadion ihres
Ortes jemand verprügelt wur–
de?"
Eine
überwältigende
Mehrheit könnte darauf wohl
nur mit "ja" antworten . Die Fra–
ge läßt nämlich offen:
e
Wann wurde die Beobach–
tung gemacht? (Vorige Woche?
ln der vergangenen Spielzeit?
Während der letzten
30
Jahre?).
e
Wer wurde verprügelt? (Der
Befragte selbst? Andere Zu–
schauer? Ein Spieler? Der
Schiedsrichter?) .
e
Wer hat die Beobachtung
gemacht? (Der Befragte? Seine
Kinder? Ein Bekannter, der sie
erzählte?) .
Ob Augenzeuge im Stadion,
ob informiert von Dritten, ob
Zuschauer einer Fernsehüber–
tragung, Hörer einer Rundfunk-
Unterschiede, die keine sind
Erfahrungen mit Prügelpädagogen machen Kinder in Norddeutsch·
land seltener als in Bayern, verkündete das Institut für Jugendfor–
schung. Die von Ihm erhobenen Daten verbieten aber eine solche
Behauptung. Wie das Schaublid zeigt, schwanken sie in allen Erhe–
bungsgebieten (Ziffern
(j)
mit@) unzulässig stark hin und her, näm·
llch um über
±
5 Prozent. Damit nicht genug. Die Schwankungen
sind außerdem so heftig, daß sich die Befunde ausnahmslos überla·
gern. Grundregeln der seriösen Meinungsforschung verbieten es, in
solchen Fällen noch von signifikanten Unterschieden zu sprechen.
Unterschiede, die keine sind
Was für den Ländervergleich gilt, den das IJF·Instltut zum
Thema Prügel in der Schule anstellte, das trifft auch zu für
seine Vergleiche zwischen Dorf· und Stadtreglonen: Aus den
Ergebnissen der Befragung lassen sich keine signifikanten
Unterschiede herauslesen, da sich alle überlagern.