7 Wissenschaftliches Gutachten – Evaluierung der drei Projektjahre (Schuljahre 2014-2016)
MundART WERTvoll – lebendige Dialekte an bayerischen Schulen
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7 Evaluierung der drei Projektjahre (Schul-
jahre 2014 /15–2016/17) – ein Gutachten
von Prof. Dr. Klaus Wolf
Begründung und Ziel des Projekts
Mundart ist Teil der bayerischen Lebenswirklichkeit. Sie ist essentielle Grund-
lage einer regionalen Identität. Oft totgesagt, ist die Mundart dennoch immer
noch quicklebendig. Zwar sind Mundarten, wie auch andere Sprachschichten
auch, also Umgangssprachen, Soziolekte (beispielsweise das neuerdings viel-
zitierte „Kiezdeutsch“) oder auch die Standardsprache, prinzipiell dem histori-
schen Wandel unterworfen, dennoch bleibt die Tatsache unbezweifelbar, dass
es auch in den kommenden Jahrzehnten regionale Varianten des Standard-
deutschen in Bayern geben wird. Dabei kennzeichnet den Freistaat Bayern als
vergleichsweise großen mitteleuropäischen Flächenstaat schon geographisch
bedingt, aber auch aufgrund seiner Geschichte, eine besondere Vielfalt der
Mundarten. So kann man mehrere Sprachlandschaften des Hochdeutschen,
konkret etwa das Süd-, Mittel- und Nordbairische, das Ostschwäbische und
das Ostfränkische unterscheiden, um nur einige herausragende Vertreter der
bayerischen Vielfalt zu benennen.
Vom sprachwissenschaftlichen Standpunkt aus hat das Projekt MundART
WERTvoll eine wesentliche Existenzberechtigung, weil die jeweiligen lokalen
Mundarten von den Sprecherinnen und Sprechern als ihr Eigenes und damit
als wertvoll empfunden werden und ihr Selbstbewusstsein als Mundart-
sprecherinnen und -sprecher gestärkt wird. Wichtig ist, dass die Sprecherinnen
und Sprecher des Ostschwäbischen ihre Mundart als durchaus unterschiedlich
zur mittelbairischen Mundart wahrnehmen, wie sie in populären Sendungen
des Bayerischen Rundfunks (z. B. „Dahoam is dahoam“) anklingt, aber als
nicht weniger wertvoll. Die Mundart des Dorfes oder der Stadt ist Teil der
individuellen (regionalen) Identität innerhalb Bayerns. Es geht also auch um
die Werthaltigkeit der ganz verschiedenen Mundarten innerhalb Bayerns und
nicht nur um die Abgrenzung der Mundarten in Bayern von den Mundarten in
anderen Bundesländern oder der deutschen Standardsprache.
Darüber hinaus ist die Mundartenfrage in einen weiteren, letztlich soziologisch
zu fassenden Kontext eingebunden: Dass es beispielsweise ein Bedürfnis nach
regionaler Identität gerade bei der Jugend gibt, zeigen die zahlreichen Dirndl
und Lederhosen auf diversen Volksfesten, auch wenn dabei nur zum Teil von
authentischem Brauchtum gesprochen werden kann. Dieses letztlich ethno-
logisch zu fassende Phänomen gibt wohl Zeugnis von der Sehnsucht nach
der Regionalisierung in der Bekleidung, vielleicht durchaus als Antwort auf die
teilweise als bedrohlich empfundene Globalisierung. Das Bedürfnis nach regi-
onaler Identität wird auch sprachlich in der Mundartpflege manifest.
Mundartpflege ist aber kein Selbstläufer, sie bedarf vielmehr der engagierten
und sprachwissenschaftlich bewussten Förderung, weil hier (zum Teil unbe-