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Die Bayerische Verfassung in der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs
Einsichten und Perspektiven 3 | 16
Landesverfassungsgerichtsbarkeit im föderalen
Bundesstaat
Das in der Bayerischen Verfassung vorgezeichnete Bild
eines vollkommen autonomen Freistaates Bayern ent-
spricht nicht der Verfassungswirklichkeit. Mit dem
Inkrafttreten des Grundgesetzes am 24. Mai 1949 wurde
die Verfassung des Bundes zum verbindlichen Rahmen
für das bayerische Staatswesen im föderalen Bundes-
staat. Der Verfassungsgerichtshof muss daher bei seiner
Rechtsprechung die Beschränkungen beachten, die sich
in einem Bundesstaat aus dem Nebeneinander der Ver-
fassungsräume des Bundes und der Länder sowie aus dem
im Grundgesetz festgelegten Vorrang des Bundesrechts
ergeben.
Er kann zum einen nur Normen des bayerischen Lan-
desrechts sowie Entscheidungen bayerischer Gerichte und
Behörden auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin kontrollie-
ren. Die Überprüfung von Bundesrecht und von Ent-
scheidungen der Bundesgerichte gehört nicht zu seinen
Aufgaben. Zum anderen sind Normen des Grundgesetzes
für den Verfassungsgerichtshof kein Prüfungsmaßstab.
Verfassungsklagen zum Bayerischen Verfassungsgerichts-
hof können deshalb nur auf die Verletzung subjektiver
Rechte der Bayerischen Verfassung gestützt werden, nicht
auf eine Verletzung des Grundgesetzes. Der Vorrang des
Bundesrechts nach Art. 31 des Grundgesetzes – „Bundes-
recht bricht Landesrecht“ – ist von Bedeutung, wenn Ent-
scheidungen bayerischer Gerichte, die auf Bundesrecht
beruhen oder in einem bundesrechtlich geregelten Ver-
fahren ergangen sind, beim Verfassungsgerichtshof ange-
fochten werden. Derartige Entscheidungen können nicht
uneingeschränkt am Maßstab der Bayerischen Verfassung
gemessen werden.
Die Landesverfassungsgerichtsbarkeit und die Bundes
verfassungsgerichtsbarkeit stehen selbstständig neben
einander. Es gibt also nicht etwa einen Instanzenzug zwi-
schen den beiden. Das Landesverfassungsgericht prüft
anhand der Landesverfassung, das Bundesverfassungsge-
richt anhand des Grundgesetzes. Das führt dazu, dass so
manche Verfassungsbeschwerde sowohl beim Verfassungs-
gerichtshof als auch beim Bundesverfassungsgericht in
Karlsruhe landet.
Das Bundesverfassungsgericht dürfte wohl den meis-
ten Deutschen ein Begriff sein. Demgegenüber sind viele
Bürger erstaunt, wenn sie erfahren, dass alle Länder der
Bundesrepublik ein eigenes Verfassungsgericht haben.
Bayerischer
Verfassungs-
gerichtshof
Wahlberechtigte bayerische Bevölkerung
Bayerische
Staatsregierung
bis zu 18 Mitglieder
Minister-
präsident
Minister
u. Staatssektretäre
Bürgerbegehren
und Bürgerentscheid
auf kommunaler Ebene
Landräte
Ober-/Bürgermeister
Stadt- und Gemeinderäte
Kreistage
Bezirkstage
Volksentscheid
Volksbegehren
Bayerischer
Landtag
180 Abgeordnete
Wahl mit
einfacher Mehrheit
beruft
bestätigt
Wahl auf 6 Jahre
Wahl auf
5 Jahre
seit 1998
Wahl auf
5 Jahre
Auf Antrag
von einem
Zehntel der
Stimm-
berechtigten
Graphik: LZ
Das politische System des Freistaates Bayern