Table of Contents Table of Contents
Previous Page  5 / 80 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 5 / 80 Next Page
Page Background

5

Die Bayerische Verfassung in der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

Einsichten und Perspektiven 3 | 16

Die Verabschiedung der Bayerischen Verfassung jährt sich 2016 zum 70. Mal. Im

Jahr 1946 war noch nicht sicher, wie es mit Deutschland weitergehen würde.

Die Verfassunggebende Landesversammlung erarbeitete deshalb einen Verfas-

sungsentwurf, der die Frage nach der staatsrechtlichen Ordnung für Gesamt-

deutschland aussparte. Es entstand eine Bayerische Verfassung, die den Eindruck

eines nach außen geschlossenen, autonomen bayerischen Staates vermittelt.

Die Bayerische Verfassung ist eine sogenannte „Vollverfassung“, das heißt, sie

enthält neben den unabdingbaren Regelungen der Staatsorganisation auch

Vorschriften über Staatsziele, Programmsätze und Grundrechte. Ein Abschnitt

der Verfassung regelt die Zusammensetzung und die Aufgaben eines eigenen

bayerischen Verfassungsgerichts, des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs.

Geschichtliches

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof wurde Mitte des

Jahres 1947 als erstes Landesverfassungsgericht nach

dem Krieg errichtet. Er ist damit älter als das 1951

gegründete Bundesverfassungsgericht. Die Geschichte

der bayerischen Verfassungsgerichtsbarkeit reicht aller-

dings noch viel weiter zurück. Die Verfassung von 1818

enthält bereits konkrete Ansätze einer Verfassungsge-

richtsbarkeit. Dort finden sich Vorläufer der heutigen

Verfassungsbeschwerde und der Ministeranklage. Der

Grundstein für eine eigene Verfassungsgerichtsbarkeit in

Bayern wurde mit der Errichtung des Staatsgerichtshofs

am 30. März 1850 gelegt.

Nach dem Verfassungsgesetz

über die Verantwortlichkeit

der Minister konnte damals

die Ständeversammlung jeden

Minister oder dessen Stell-

vertreter wegen Verletzung

der Staatsgesetze beim König

anklagen. Der König musste

diese Anklage dem Staatsge-

richtshof zur Entscheidung

vorlegen. Der Staatsgerichts-

hof sollte beim Oberappella-

tionsgericht in der Besetzung

mit dem Präsidenten, sechs

Räten, einem Gerichtsschrei-

ber und zwölf Geschworenen

von Fall zu Fall einberufen

werden.

Das heutige Gesicht der bayerischen Verfassungsgerichts-

barkeit wird durch die Bayerische Verfassung von 1946

geprägt. Die Mütter und Väter der Verfassung waren

damals nicht nur mit großer existenzieller Not, sondern

auch mit der Zerstörung der staatlichen Ordnung kon-

frontiert. Die Verfassung hebt vor diesem Hintergrund

die Bedeutung des Verfassungsgerichtshofs im demokra-

tischen Staatsaufbau bewusst hervor. Das Gewicht der

Verfassungsgerichtsbarkeit soll gewährleisten, dass sich die

Erfahrungen der Vergangenheit nicht wiederholen. Dem

Bayerischen Verfassungsgerichtshof ist damit eine große

Verantwortung übertragen.

König Maximilian I. Joseph gibt Bayern eine konstitutionelle Verfassung, 26. Mai 1818.

Foto: SZ Photo/Scherl