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„With human beings you never know“

Einsichten und Perspektiven 3 | 16

Weiter südlich liegt Gahanga – eine kleine Siedlung auf

beiden Seiten der Straße. In dem Dokumentationszent-

rum wird an rund 6.000 Menschen erinnert, die auf dem

Gelände eines kleinen Konvents zusammengetrieben und

massakriert wurden. Ein Betonsarkophag markiert die

letzte Ruhestätte.

Ebenfalls ein kleiner Ort im Wald ist Ntarama. Hier

wurden ab dem 15. April 1994 ca. 5.000Menschen zusam-

mengetrieben und in einer winzigen Kirche regelrecht

abgeschlachtet. Bis heute zeugen große, dunkle Wandfle-

cken vom Blut der Opfer. Zur Erinnerung hat man die

ebenfalls blutdurchtränkte Kleidung an den Wänden und

über den Balken aufeinandergelegt, in hölzernen Regalen

sind menschliche Überreste gestapelt.

In Nyamata schließlich, der Distrikthauptstadt, flüch-

teten sich nach dem 10. April fast 20.000 Menschen in

die katholische Kirche und den sie umgebenden Pfarrhof.

Marodierende Jugendbanden der Hutu-Milizen warfen

nach einigen Tagen der Belagerung in das völlig über-

füllte Gotteshaus Handgranaten und begannen dann,

alle Fliehenden mit Macheten, Speeren und Knüppeln zu

erschlagen. Heute wirkt die Gedenkstätte gespenstisch:

Beim Eintreten hat man das Gefühl, es könne sofort ein

Gottesdienst stattfinden, so stehen Altar, Taufstein und

angeordnete Kirchenbänke bereit – aber auf den Bänken

liegen die Kleider der Erschlagenen, oftmals zerfetzt und

alle blutdurchtränkt. Im Keller der Kirche (und in den im

Pfarrhof befindlichen Sarkophagen) sind Knochen auf-

geschichtet, die Gebeine und Schädel von Kindern und

Erwachsenen. In der Mitte, so erklärt der Wächter des

Erinnerungsortes, um das brutale Geschehen unnötig zu

illustrieren, sei der Körper einer Frau zu sehen, die man

mit dem Speer von unten bis oben durchbohrte.

In jedem Distrikt in Ruanda findet sich mindestens ein

Erinnerungsort an den Genozid, besonders viele an dieser

Straße Richtung Burundi, wie uns der Fahrer während unse-

rer Tour durch den südlichen Teil des Landes kurz erklärt.

2

Spurensuche und Verbindungslinien – von Nürnberg

nach Ruanda

Rund zwanzig Jahre nach dem Genozid und rund siebzig

Jahre nach dem Holocaust kam in Nürnberg eine interdis-

ziplinäre Gruppe von Pädagogen, Historikern, Theologen

und Journalisten zusammen, um den Blick verstärkt nach

Afrika zu richten. An der Akademie Caritas-Pirckheimer-

Haus (CPH), einer Einrichtung der Erzdiözese Bamberg

und des Jesuitenordens, beschäftigt man sich seit knapp

zwei Jahrzehnten mit Fragen der Erinnerungsarbeit und

gesellschaftspolitischer Bildung.

3

So lag es nahe, nach Ver-

bindungslinien zu suchen und gemeinsam mit afrikani-

schen Projektpartnern eine Konferenz in Ruanda unter dem

Titel

„Give the Past a better Future“

abzuhalten.

4

Gleichzei-

tig wurden zwei Begegnungs- und Projektreisen in Ruanda

in Zusammenarbeit mit dem Verein CECUP e.V. –

Center

for Education and Culture of Peace

– durchgeführt.

5

Besonders deutlich werden die Verbindungen bei den

Erkundungen in Ruanda an zwei Orten, die die Gruppen

besuchten: das Dokumentationszentrum in Kigali und

der Erinnerungsort Murambi.

2 Vgl. dazu auch die gute Übersicht inklusive interaktiver Karte unter http://

genocidearchiverwanda.org.rw

[Stand: 19.09.2016]. Dort auch nähere In-

formationen zu den genannten Orten.

3 Vgl. das Angebot unter

www.cph-nuernberg.de

, dort auch eine Auflistung

der einschlägigen Veröffentlichungen zur Menschenrechtsbildung und dem

Projekt DIDANAT – Didaktik des Nationalsozialismus und seinen Folgen.

4 Diese Tagung wurde von der Stiftung EVZ – Erinnerung, Verantwortung,

Zukunft unterstützt. Die Dokumentation findet sich im Youtube Kanal der

Akademie CPH unter dem Titel

„Konferenz ‚Give the Past a better Future‘ in

Rwanda“

, vgl.

https://www.youtube.com/watch?v=JI6h6zM5Nh4

[Stand:

19.09.2016].

5 Zum Verein CECUP e.V. – Initiative zur Förderung von Bildung und Frieden

vgl.

www.cecup.de

und die Youtube-Präsentation unter https://www.

youtube.com/watch?v=K-TkkZ1L18k

[Stand: 01.09.2016].

Die Kolonialverwaltung führte die Zuordnung der „Rassen“ im Personalaus-

weis ein und zementierte damit die rassistische Abgrenzung der (Mu)Tutsi,

(Mu)Hutu, (Mu)Twa.