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Die Bayerische Verfassung in der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs
Einsichten und Perspektiven 3 | 16
schutz berichte. Zwar könnten sich Grenzen der Ant-
wortpflicht aus dem Geheimnisschutz ergeben; von einer
offensichtlichen Geheimhaltungsbedürftigkeit kraft Natur
der Sache könne jedoch auch mit Blick auf die Tätigkeit
des Landesamts für Verfassungsschutz nicht ausgegangen
werden. Auch Grundrechte Dritter könnten einer Beant-
wortung entgegenstehen, beispielsweise wenn durch die
Antwort die Identität von V-Leuten preisgegeben oder
aber Rückschlüsse hierauf ermöglicht würden. Bei Anfra-
gen nach der Überwachung von Politikern durch das
Landesamt für Verfassungsschutz sei das parlamentarische
Informationsinteresse besonders hoch zu gewichten, da
die Beobachtung von Mandatsträgern erhebliche Gefah-
ren für den Prozess der demokratischen Willensbildung in
sich berge. Im konkreten Fall ist der Verfassungsgerichts-
hof in Anwendung dieser Kriterien zu der Überzeugung
gelangt, dass die von den Antragstellern als unzureichend
beanstandeten Antworten der Staatsregierung überwiegend
das in Art. 13 Abs. 2, Art. 16a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 der
Verfassung verankerte Frage- und Informationsrecht der
Abgeordneten verletzt haben.
Um den Umfang der Auskunftspflicht der Staatsregie-
rung bei parlamentarischen Anfragen ging es ferner in der
Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 22. Mai
2014. Die Anfragen bezogen sich auf die Beschäftigung
naher Verwandter im Rahmen des Abgeordnetenmandats
durch Landtagsabgeordnete, die zugleich Mitglieder der
Staatsregierung waren. Die Staatsregierung hat die Beant-
wortung mangels eigener Zuständigkeit bzw. Kenntnis der
Fakten abgelehnt, da es nicht um Rechtsverhältnisse von
Mitgliedern der Staatsregierung, sondern um solche von
Mitgliedern des Landtags gehe. Dieser Argumentation ist
der Verfassungsgerichtshof nicht gefolgt. Nach seiner Ent-
scheidung können Verhaltensweisen von Kabinettsmitglie-
dern, die keinen direkten Bezug zum Aufgabenbereich und
zur Tätigkeit eines Regierungsmitglieds aufweisen, unter
bestimmten Voraussetzungen dennoch Gegenstand des
parlamentarischen Fragerechts sein. Dies gelte z.B. dann,
wenn sich aufgrund der öffentlichen Diskussion über die-
ses Verhalten Auswirkungen auf die Amtsführung ergeben
könnten oder wenn die Eignung für das Amt wegen der
Vorbildwirkung in der Öffentlichkeit infrage stehe.
Im dritten der 2014 entschiedenen Verfahren zur Aus-
kunftspflicht der Staatsregierung auf parlamentarische
Anfragen hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass
bei einer parlamentarischen Anfrage zu steuerlichen Ver-
hältnissen von Privatpersonen in der Regel das Informati-
onsinteresse des Abgeordneten das Recht auf informatio-
nelle Selbstbestimmung des Betroffenen nicht überwiege.
4. Entscheidungen über die Zulassung von Volksbegehren
Dem Verfassungsgerichtshof ist ferner die Aufgabe über-
tragen, nach Anrufung durch das Staatsministerium des
Innern, für Bau und Verkehr über die Zulässigkeit von
Volksbegehren zu entscheiden. Wie sich aus den bishe-
rigen Ausführungen bereits ergibt, können Gesetze in
Bayern anders als auf Bundesebene nicht nur vom Parla-
ment, sondern auch vom Volk beschlossen werden (Art. 5
Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 BV). Zu einem solchen Volksent-
scheid kommt es, wenn zuvor ein Zehntel der stimm-
berechtigten Staatsbürger das Begehren nach Schaffung
eines Gesetzes stellt (Art. 74 Abs. 1 BV). Die Zulässigkeit
eines Volksgesetzgebungsverfahrens setzt voraus, dass der
Gesetzentwurf die Einschränkungen beachtet, denen der
bayerische Gesetzgeber im Allgemeinen oder der bayeri-
sche Volksgesetzgeber im Besonderen unterworfen ist.
Zulassungsantrag
25.000 Stimmberechtigte
Zulassung
durch Innenministerium
Volksbegehren
ein Zehntel der Stimmberechtigten
wenn die Mehrheit der abgegebenen Stimmen
auf „ja“ lautet; bei verfassungsändernden Gesetzen
zudem 25 % aller Stimmberechtigten erforderlich
Volksentscheid
Staatsregierung
ggf. Verfassungs-
gerichtshof
Landtag
Zustimmung
Ablehnung
(ggf. alternativer Gesetzentwurf)
Gesetz
Gesetz
Graphik: LZ
Der Weg über das Volksbegehren zum Volksentscheid