75
Einsichten und Perspektiven 1 | 18
Grundzüge der Ausstellung
Seit Ende November zeigt das NS-Dokumentati-
onszentrum München die Sonderausstellung „Nie wie-
der. Schon wieder. Immer noch. Rechtsextremismus in
Deutschland seit 1945“. Sie dokumentiert rechtspopulis-
tische, rechtsradikale und rechtsextremistische Akteure,
Organisationen und Parteien von der unmittelbaren
Nachkriegszeit bis in die Gegenwart. Anhand exemplari-
scher Fotos und Dokumente, zumeist aus München und
Bayern, werden Aktivitäten bis hin zu Gewalttaten des
Spektrums am äußersten rechten Rand aufgezeigt. Ein
eigener Teil der Ausstellung ist der rechtsextremen Ideolo-
gie gewidmet. Er klärt anhand von ausgewählten Expona-
ten über die demokratie- und menschenfeindlichen Ele-
mente dieser Weltanschauung auf – wie etwa Rassismus,
Sozialdarwinismus und Nationalchauvinismus. Die Expo-
nate verdeutlichen, mit welchen Strategien und Metho-
den dieses Gedankengut verbreitet wird und inwieweit
es für die Mitte der Gesellschaft anschlussfähig ist. Auch
die – oft mangelhafte – demokratische Gegenwehr gegen
die Umtriebe der extremen Rechten wird behandelt.
Rund 100Gruppen haben bereits an Führungen durch die
Ausstellung teilgenommen, von Schul- und Berufsschulklas-
sen, Lehrerinnen und Lehrern und anderen Multiplikatoren
über Vertreter der politischen Bildung, zivilgesellschaftlicher
Initiativen und der Museums- und Gedenkstättenlandschaft
bis hin zu Polizei und Staatsschutz. Die begleitenden Abend-
veranstaltungen etwa zum NSU-Prozess, zu den europäi-
schen rechtspopulistischen und -extremistischen Bewegun-
gen, zum Szeneausstieg oder zum Alltagsrassismus stießen
durchwegs auf großes Interesse; rege Diskussionen schlossen
sich an. Es ist evident: Mit den vermehrten rechtsextremis-
tisch motivierten Übergriffen, dem wachsenden Antisemitis-
mus, muslimfeindlicher und rassistischer Hassrede, die auch
in den Bundestag Einzug gehalten hat, ist das Thema ins
öffentliche Bewusstsein gerückt.
Die gegenwärtige Entwicklung in der (west-)deutschen
Geschichte nach 1945 zu verorten und Rechtsextremis-
mus auch als historisches bzw. historisch gewachsenes
Phänomen sichtbar zu machen, war bei der Gestaltung
der Ausstellung ein zentrales Anliegen. Sie bildet insofern
eine logische Fortführung und Vertiefung der Daueraus-
stellung des NS-Dokumentationszentrums, die die soge-
nannte Nachgeschichte des Nationalsozialismus eigens
und bewusst thematisiert.
Die extreme Rechte seit 1945
Die nach Jahrzehnten gegliederte Chronologie des
Rechtsextremismus zeigt erschreckende und erhellende
Kontinuitäten auf: wiederkehrende Feindbilder und Pro-
pagandazeichen, das Auf und Ab von Parteien und Grup-
pierungen, die verschwinden und neu gegründet werden,
über allem die Kontinuität des Antisemitismus und der
Fremdenfeindlichkeit, die sich wie ein roter Faden durch
die Jahrzehnte ziehen.
So ist eines der ersten Dokumente der Ausstellung ein
unscheinbares Pappschild, das in einer Aprilnacht 1948
an mehreren, vor allem von Juden besuchten Münch-
ner Gaststätten angebracht wurde. Es trägt – drei Jahre
nach der Befreiung der nationalsozialistischen Konzent-
rations- und Vernichtungslager – die Aufschrift „6 Mil-
Rechtsextremismus revisited. Die Sonderausstellung „Nie wieder. Schon wieder. Immer noch."
Von der Münchner Polizei beschlagnahmtes antisemitisches Pappschild,
April 1948
Quelle: StadtAM, Pol.Dir. 649
Am 15. Juni 1965 wurden 32 Grabsteine des jüdischen Friedhofes in Bam-
berg mit Beleidigungen und NS-Hetzparolen geschändet.
Foto: dpa-Bildarchiv/Schnörrer