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Einsichten und Perspektiven 3 | 17

merksamkeit zu entziehen. Diese Kommunikationsstrategie

nennt man „Agendacutting“. Weil die Themenagenda von

Medien und Wählern von vielen Einflüssen abhängig ist,

sind diese Strategien nur begrenzt einsetzbar. Sehr häufig ist

es ohnehin so, dass Themen durch äußere Ereignisse eine

besondere Bedeutung in Wahlkämpfen bekommen und

jene Parteien, deren Argumente und Positionen durch die

so entstandenen öffentlichen Debatten unterstützt werden,

auf der Agenda zu „surfen“ versuchen.

31

Das Duell zwischen Angela Merkel und Peer Stein-

brück zur Bundestagswahl 2013 ist ein Beispiel dafür, wie

sowohl das Agendasetting als auch -cutting in einem TV-

Duell zum Tragen kommen kann. Während Steinbrück

es gelang, die Frage sozialer Gerechtigkeit in den letzten

Wochen vor der Wahl wieder in den medialen Fokus zu

rücken, blieb Merkel vor allem mit dem Satz: „Sie kennen

mich“, und einer auffälligen Kette in Schwarz, Rot und

Gold in Erinnerung. Das aufgrund der Kette entstandene

Internet-Meme fand viel Anklang und lenkte wiederum

von Themen des Duells ab.

32

Dieses Beispiel zeigt aber

auch, dass nicht nur die klassische Berichterstattung über

die Duelle, sondern auch die Diskussionen über sie in

sozialen Netzwerken Teil von Kampagnen geworden sind.

DemWahlkampf im Internet kommt ohnehin eine immer

größere Bedeutung zu – nicht zuletzt deshalb, weil es zu

einer immer wichtigeren Informationsquelle für Wähler

31 Vgl. zum Themenmanagement in Wahlkämpfen Brettschneider (wie Anm.

25), S. 51f.

32 Vgl. Brettschneider (wie Anm. 25), S. 60.

geworden ist. Die Parteien nutzen vor allem die günstigen

und sehr flexiblen Werbemöglichkeiten. Die vielen Daten,

die Nutzer sozialer Netzwerke preisgeben und von den

Betreibern für Werbezwecke zur Verfügung gestellt wer-

den, ermöglichen es auch, datenbasierten Wahlkampf und

auf kleinste Zielgruppen zugeschnittene Kampagnen zu

gestalten. Dieses sogenannte „Microtargeting“ ist vor allem

in den USA bereits ein beliebtes Instrument.

33

Psycholo-

gisches Microtargeting soll nicht zuletzt dem amerikani-

schen Präsidenten Donald Trump zum Sieg verholfen und

das Referendum zum Brexit maßgeblich beeinflusst haben.

Auch wenn die Strategien der beratenden Marketingfirmen

sicher ein wichtiger Teil der Kampagnen waren, ist aber

die Einschätzung, die Wahlen wären durch datenbasierte

Manipulationen gewonnen worden, zu weit gegriffen.

34

In

Deutschland sind die Möglichkeiten für zielgenaue Wer-

bung stärker begrenzt als beispielsweise in den USA, weil

der deutsche Datenschutz dem Direktmarketing Grenzen

setzt. Zwei andere Varianten des Wahlkampfs mit sozialen

Netzwerken und Big Data sind aber auch für die Bundes-

tagswahl durchaus relevant geworden. Zum einen bedie-

nen die deutschen Parteien die großen Datenmengen, um

in ihren „Haustürwahlkämpfen“ gezielt Straßenzüge zu

identifizieren, in denen sie Bürger vermuten, die sie mit

33 Vgl. zum Online-Wahlkampf Frank Brettschneider: Wahlkampf: Funktio-

nen, Instrumente und Fake News, in: Bürger & Staat 67 (2017), H. 2, S.

146-153, hier S. 150 f.

34 Vgl. Marvin Strathmann: Der geheime Facebook-Wahlkampf der Parteien,

Sueddeutsche.de

v. 20.08.2017, online abrufbar unter:

http://www.sued

-

deutsche.de/digital/bundestagswahl-der-geheime-facebook-wahlkampf-

der-parteien-1.3634351 [Stand: 18.09.2017].

Das TV-Duell im Bundestagswahlkampf 2017

Im TV-Duell am 1. September 2013 trafen Angela Merkel und Peer Steinbrück

aufeinander.

Foto: picture alliance/Geisler Fotopress/Fotograf Sebastian Gabsch

Die Mutter aller Schlachten: Donald Trump, Präsidentschaftskandidat der

Republikaner, und Hillary Clinton, Kandidatin der Demokraten im TV-Duell

am 26. September 2016

Foto: picture alliance/AP Images/Fotograf: Rick T. Wilking