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Einsichten und Perspektiven 3 | 17
Kultur auch von der Gestaltung, den Inhalten und dem Ver-
halten der Kandidaten abhängen.
Neben den Debatteneffekten auf Wähler lassen sich auch im
Verhalten von Medien und Kandidaten bzw. Parteien rund
um die Ausstrahlung von TV-Debatten spezifische Muster
erkennen. Erstens lässt sich feststellen, dass über die TV-
Debatten sehr breit und intensiv berichtet wird. Als Reaktion
auf die Duelle intensiviert sich die Wahlkampfberichterstat-
tung aber nicht nur, sie stellt sogar noch stärker als ohnehin
personenbezogene Faktoren ins Zentrum. Die Inhalte spie-
len häufig nur eine untergeordnete Rolle in der Berichterstat-
tung. So konnte gezeigt werden, dass sich Journalisten durch
die Einführung von Fernsehdebatten stärker auf Kriterien
der Kandidatenbewertung wie Aussehen und Medienperfor-
mance beziehen.
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Damit geht einher, dass sie scheinbar das
Informationspotenzial von Debatten unterschätzen, da sie
nur wenig über die Inhalte der Debatten berichten und sich
vielmehr der Frage widmen, welcher Kandidat die Debatte
gewonnen habe.
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Weil sich das Fernsehformat mit seinem
gegenüberstellenden Setting besonders gut für Berichte im
Stil der Sportberichterstattung eignet – allein die Bezeich-
nung „Duell“ zeigt bereits diese Zuspitzung – ändert die TV-
Debatte häufig auch den Ton der Berichterstattung, in der
von „Gewinnern“, „Punktsiegen“, „schlechten Ausgangsla-
gen“ oder einer „Rückkehr in den Ring“ die Rede ist.
Aber nicht nur Medien, sondern auch die Kandi-
daten fiebern häufig auf das Duell hin, das gerne als
Wendepunkt oder „Gamechanger“ gesehen wird. Die
Kandidaten, so lässt sich zweitens beobachten, ver-
wenden wiederum ein komplexes Set an Strategien, bei
denen faktenorientierte Informationen gleichermaßen
wie Emotionen relevant sind. Zunächst sind die Aussa-
gen der Kandidaten in den Debatten in der Regel eher
11 Vgl. Carsten Reinemann/Jürgen Wilke: It’s the Debates, Stupid! How the
Introduction of Televised Debates Changed the Portrayal of Chancellor
Candidates in the German Press, 1949-2005, in: The Harvard Internatio-
nal Journal of Press/Politics 12 (2007), H. 4, S. 92-111; in ähnlicher Weise:
Marcus Maurer/Carsten Reinemann: Schröder gegen Stoiber. Nutzung,
Wahrnehmung und Wirkung der TV-Duelle, Wiesbaden 2003; Carsten
Reinemann: Völlig anderer Ansicht. Die Medienberichterstattung über das
TV-Duell, in: Schröder gegen Merkel (wie Anm. 5), S. 167-194; James B.
Lemert/Wayne Wanta/Tien-Tsung Lee: Winning by staying ahead: 1996
debate performance verdicts, in: The electronic election: Perspectives on
the 1996 campaign communication, hg. v. Lynda L. Kaid/Daniel G. By-
strom, Mahwah 1999, S. 179-189; William L. Benoit/Kevin A. Stein/Glenn
J. Hansen: Newspaper coverage of presidential debates, in: Argumentati-
on and Advocacy 41 (2004), S. 17-27.
12 Reinemann (wie Anm. 11), S. 169 ff.
auf Fakten als auf die eigene Person bezogen,
13
während
rhetorisch Humor und der Ausdruck von Emotionen eine
wichtige Rolle spielen.
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Welche Argumentationsstrate-
gie Kandidaten anwenden, ist wiederum stark von ihrer
Position abhängig. Während Herausforderer vornehmlich
Angriffsstrategien verwenden, versuchen Amtsinhaber
eine positive Bilanz ihrer Leistungen zu ziehen bzw. sich
zu verteidigen. Aber auch Herausforderer setzen auf die
Leistungsbilanzstrategie, indem sie herausstellen, wie sie
im Falle eines Erfolgs handeln würden.
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Allerdings hän-
gen Inhalt und Strategien der Kandidaten sehr stark von
der jeweiligen Kampagne ab. Zudem reagieren die Debat-
tenteilnehmer häufig ausweichend und bleiben in ihren
Aussagen vage. So wird das Format gerne dafür kritisiert,
dass es keinen echten Austausch der Argumente zwischen
den Kandidaten ermöglicht, sondern eher eine Abfrage
oder „gemeinsame Pressekonferenz“ mit Amtsinhaber
und Herausforderer ist. In diesem Fall seien die Debatten
günstige Werbemöglichkeiten für die Kandidaten.
16
Obwohl nachgewiesen ist, dass TV-Duelle in vielfältiger
Weise, direkt und indirekt Wählerinnen und Wähler beein-
flussen und sie damit ein wichtiger Bestandteil von Wahl-
kämpfen sind, findet die Planung und Organisation der
Debatten größtenteils unter Ausschluss der Öffentlichkeit
statt. Von den Verhandlungsprozessen zwischen den Teams
13 Vgl. William L. Benoit/P.M. Pier/LeAnn M. Brazeal/John R. McHale/Andrew
Klyukovski/David Airne: The primary decision: A functional analysis of de-
bates in presidential primaries, Westport 2002; Markus F. Müller: „Der
oder ich!“ Eine Analyse der Kandidatenduelle im Bundestagswahlkampf
2002, in: Politbarometer, hg. v. Andreas M. Wüst, Opladen 2003, S. 295-
315; Marcus Maurer: Themen, Argumente, rhetorische Strategien. Die In-
halte des TV-Duells, in: Schröder gegen Merkel (wie Anm. 5), S. 33-52.
14 Vgl. Chris Smith/Ben Voth: The role of humor in political argument: How
“strategy” and “lockboxes” changed a political campaign, in: Argumen-
tation and Advocacy 39 (2002), S. 110-129; Müller (wie Anm. 13); Ann
Gordon/Jerry L. Miller: Values and Persuasion during the first Bush-Gore
presidential debate, in: Political Communication 21 (2004), S. 71-92;
Maurer (wie Anm. 13); Kristina Weissenbach: Bilder von Europa. Emotio-
nale Reaktionen auf die Eurovision Debate im Europa-Wahlkampf 2014,
in: Emotionen und Politik. Begründungen, Konzeptionen und Praxisfel-
der einer politikwissenschaftlichen Emotionsforschung, hg. v. Karl-Rudolf
Korte, Baden-Baden 2015, S. 333-348.
15 Vgl. Peter L. Schrott/David J. Lanou: How to Win a Televised Debate: Can-
didate Strategies and Voter Response in Germany, 1972-87, in: British
Journal of Political Science 22 (1992), S. 445-467; Benoit u.a. (wie Anm.
13); Maurer/Reinemann (wie Anm. 11), S. 69 ff.; Müller (wie Anm. 13);
Maurer (wie Anm. 13), S. 41 ff.
16 Vgl. Marilyn Jackson-Beeck/Robert G. Meadow: The Triple Agenda of Pre-
sidential Debates, in: Public Opinion Quarterly 43 (1979), H. 2, S. 173-
180; Müller (wie Anm. 13); J. Jeffrey Auer: The Counterfeit Debates, in:
The Great Debates. Background, Perspective, Effects, hg. v. Sidney Kraus,
Bloomington 1962, S. 142-150; Lloyd Blitzer/Theodore Rueter: Carter vs.
Ford. The Counterfeit Debates of 1976, Madison 1980; David L. Lanou/
Peter R. Schrott: The Joint Press Conference. The History, Impact, and Pro-
spects of American Presidential Debates, New York 1991.
Das TV-Duell im Bundestagswahlkampf 2017