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Einsichten und Perspektiven 3 | 17

jeweils drei Monaten schon wieder auf.

48

1907 veränderten

er und sein ein Jahr zuvor ernannter Regierungschef Petr

Stolypin (1862-1911) eigenmächtig das ungleiche Zen-

suswahlrecht noch weitgehender zugunsten der besitzen-

den Schichten. Dadurch veränderten sich die parlamenta-

rischen Kräfteverhältnisse grundlegend.

49

Der Anteil der

nichtrussischen Abgeordneten sank von zuvor 44 auf nur

noch 23 Prozent. Ganzen Regionen und Ethnien wurde

sogar die Teilnahme an der Wahl verweigert.

50

Wahlge-

winner waren zum einen die rechtsliberalen Oktobris-

ten, die Partei der konstitutionellen Monarchisten;

51

zum

anderen erfuhren nationalistisch-monarchistische Kräfte

einen beachtlichen Zuwachs an Abgeordneten, die sich

bewusst antisemitisch und imperialistisch gaben.

52

Diese

mehrheitlich zarenloyale 3. Reichsduma erlebte zwar das

48 Ascher (wie Anm. 14), S. 81-215; Dittmar Dahlmann: Die Provinz wählt.

Russlands Konstitutionell-demokratische Partei und die Dumawahlen

1906-1912, Köln 1996, S. 73-271.

49 Zu den Wahlergebnissen von 1907 vgl. u.a. Nolte (wie Anm. 16), S. 270-

272.

50 Kappeler (wie Anm. 23), S. 279 f.; Dahlmann (wie Anm. 48), S. 272-332;

Ascher (wie Anm. 14), S. 337-368.

51 Zu den Oktobristen vgl. Dmitrii B. Petrov: The Union of October 1917, in:

Anna Geifman (Hg.): Russia under the Last Tsar. Opposition and Subversi-

on 1894-1917, Oxford 1999, S. 179-198.

52 Zu den nationalistisch-monarchistischen Gruppierungen vgl. Rawson (wie

Anm. 19), S. 19-72; Aleksandr Bokhanov: Hopeless Symbiosis. Power and

Right-Wing Radicalism at the Beginning of the Twentieth Century, in:

Geifman (wie Anm. 51), S. 199-213.

Ende ihrer Legislaturperiode; aber auch sie entwickelte

keine produktive, auf Zuverlässigkeit und Dauer gestellte

Zusammenarbeit mit der Regierung. Diese sah im Parla-

ment weiterhin vor allem einen Störfaktor und weniger

einen Partner der Politikgestaltung. Ihrer eigentlichen

Funktion, soziale, ethnische und politische Konflikte zu

lösen und die Zerrissenheit des Landes zu überwinden,

konnte die Reichsduma darum niemals nachkommen.

53

Stolypins Versuch einer konservativen

Modernisierung

Als erbarmungsloser Vertreter von Recht und Ordnung

zögerte der Regierungschef Stolypin keinen Augenblick,

Armeeverbände zur Niederschlagung von Unruhen ein-

zusetzen, die infolge der Wahlrechtsreform 1907 wieder

landesweit ausgebrochen waren. Zur Wiederherstellung

der Ordnung setzte er auf ein System von Standgerichten,

die erneut Tausende von Todesurteilen fällten. Dieses Vor-

gehen trug Stolypin den Titel „Eiserner Premierminister“

ein. Er wusste aber auch, dass Wandlungsprozesse einge-

leitet werden mussten, um dem Zarenreich die dringend

benötigte Stabilität zu verschaffen.

54

53 Aust (wie Anm. 39), S. 55-58; Christoph Schmidt: Russische Geschichte

1547-1917, München 2009, S. 109.

54 Peter Waldron: Between Two Revolutions. Stolypin and the Politics of Re-

newal of Russia, DeKalb 1998; Abraham Ascher: P. A. Stolypin. The Search

for Stability in Late Imperial Russia, Stanford 2001.

Der Russische Revolutionszyklus, 1905-1932

Sitzung der dritten Reichsduma

ab November 1907. Hinter dem

Rednerpult thront das Porträt des

Zaren.

Foto: sz-photo/Scherl