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Einsichten und Perspektiven 1 | 17

Zur Diskussion gestellt: CETA

für die die EU auch tatsächlich Kompetenz aufweist. Will

man weitere Bereiche regeln, so sollten die einschlägigen

EU-Verträge angepasst werden. Es ist zu verhindern, dass

die EU-Außenhandelspolitik renationalisiert wird; dies

würde dazu führen, dass die Verhandlungsmacht der EU

erheblich geschwächt wird und die Durchsetzung der

Interessen – auch in der nicht-ökonomischen Sphäre –

schwieriger wird.

Drittens: Es ist überaus fraglich, ob der globale Inves-

titionsschutz wirklich am besten durch ein Geflecht bila-

teraler Verträge gewährleistet werden kann.

26

Viel besser

wäre ein institutionalisierter, unabhängiger internationa-

ler Gerichtshof, der hauptamtliche und wirklich unpar-

teiische Richter hat, die Fall unabhängig vergütet sind,

und der einen Revisionsweg bietet.

27

Das Festhalten an

bilateralen Verträgen mit dem Ziel der Errichtung eines

Goldstandards verstellt dieser Möglichkeit den Weg, auch

wenn die EU nun das Ziel verfolgt, das

Investor Court Sys-

tem

zu universalisieren. Ob dieses Ziel durch unverbun-

dene, bilaterale Verhandlungen zu erreichen ist, muss aber

angezweifelt werden.

Regulierungsräte.

Die Einrichtung eines sogenannten

Regulierungsforums in CETA ist ein zentraler Bestandteil

der regulatorischen Kooperation. Diese bringen Vertreter

der Kommission und der kanadischen Regierung zusam-

men. Vertreter der Privatwirtschaft sind hier essentiell,

denn Normen und Standards werden sowohl in Deutsch-

land, der EU oder in Kanada von privatrechtlich organi-

sierten Institutionen definiert (z.B. DIN). Die Räte stellen

sicher, dass neue Produkte oder Verfahren nicht so regu-

liert werden, dass unbeabsichtigte Handelshemmnisse als

Nebenprodukte entstehen. Ohne ein solches Forumwürde

das Abkommen nicht zu dem Ziel beitragen können, die

Entwicklung und Durchsetzung von Standards weltweit

voranzubringen. Über die Ausgestaltung der Räte lässt

sich aber diskutieren: Es wäre vermutlich demokratiepoli-

tisch wünschenswert, wenn Vertreter der Parlamente Sitz

und Stimme hätten; außerdem sollten auch Länder außer-

halb von CETA Parteienstellung in den Räten haben.

Dies stellt die Akzeptanz der Normierungen sicher, und

verbessert die Chance, dass sich transatlantische Standards

weltweit durchsetzen.

Ursprungsregeln

. Nicht in allen Bereichen stellt sich

CETA als modernes Regelwerk dar. Dies betrifft vor allem

26 Wenn jedes der grob 200 Länder der Welt mit jedem anderen ein bilate-

rales Abkommen unterhalten soll, dann bräuchte es 200x199/2=19900

solcher Vereinbarungen!

27 Siehe hierzu auch Voss (wie Anm. 1).

den Bereich der Ursprungsregeln. Auf insgesamt mehr

als 130 Seiten wird sehr detailliert festgelegt, unter wel-

chen Bedingungen ein Gut als ein „europäisches“ oder

„kanadisches“ gilt und mithin in den Genuss einer Zoll-

befreiung gelangen kann. Diese Regeln unterscheiden sich

hinsichtlich der Methode des Nachweises und hinsicht-

lich ihrer Restriktivität über verschiedene Produkte, sie

unterscheiden sich teilweise auch stark von jenen anderer

Abkommen. Der Nachweis der Erfüllung der Regeln wird

in der Praxis nur mit erheblichem bürokratischem Auf-

wand gelingen. Dies wird dazu führen, dass viele Unter-

nehmen auf die Zollbefreiung lieber verzichten. Damit

sinkt die Wirksamkeit des Abkommens. Außerdem kön-

nen restriktive Ursprungsregeln zu Mehrfachverzollung

führen und Drittländer in internationalen Wertschöp-

fungsketten benachteiligen. Weil die Außenzölle der EU

und Kanadas stark positiv miteinander korrelieren, und

meist ohnehin niedrig sind, wäre es besser, auf den Nach-

weis des Warenursprungs im Allgemeinen zu verzichten

(Freiverkehrsprinzip), und diesen nur in speziellen Fällen

vorzuschreiben, in denen die Außenzölle zwischen EU

und Kanada hinreichend stark divergieren. Dies würde

den bürokratischen Aufwand der Exporteure aus EU und

Kanada minimieren und gleichzeitig die Diskriminierung

von Anbietern aus Drittstaaten reduzieren.

Einbettung in das multilaterale System.

Die obigen

Ausführungen zeigen, dass gerade im regulatorischen

Bereich bilaterale Vereinbarungen, zumal zwischen zwei

Regionen sehr asymmetrischer Größe, wenig zielführend

sind. Hier müssen frühzeitig die Weichen für eine brei-

tere Kooperation gestellt werden. Dies gilt auch für andere

Bereiche, z.B. für die Definition und Handhabung von

Ursprungsregeln. In einem ersten Schritt müssen andere

Partner, mit denen die EU und Kanada Freihandelsab-

kommen unterhalten (oder bald werden könnten, siehe

TTIP), einbezogen werden. In einem zweiten Schritt

müssen auch andere systemisch relevante Länder in den

Prozess einbezogen werden. Ein glaubwürdiger Prozess zur

Sicherstellung dieser Ziele sollte in jedem bilateralen Frei-

handelsabkommen enthalten sein.