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Zur Diskussion gestellt: CETA
Einsichten und Perspektiven 1 | 17
Interessanterweise nehmen die deutschen Importe aus
allen Regionen in
absoluten
Zahlen zu, auch wenn die
relative
Bedeutung der meisten Drittstaaten fällt. Auf
Exportseite nehmen die Exporte teils auch in absolu-
ten Zahlen ab. Die Offenheit Deutschlands nimmt aber
durch CETA eindeutig zu: Der Anteil der Exporte am
BIP nimmt von 43 Prozent auf etwa 44 Prozent um circa
einen Prozentpunkt zu; der Anteil der Importe steigt von
37 Prozent des BIP auf circa 38 Prozent. Die Zuwächse
sind deutlich stärker in Kanada: Dort legt sowohl der
Anteil der Exporte als auch jener der Importe um sechs
Prozentpunkte zu.
Fazit: Chancen und Risiken
Für Kanada ist CETA von hoher wirtschaftlicher Bedeu-
tung; für die EU hat das Abkommen für sich genommen
einen ungleich weniger großen Einfluss auf das Prokopf-
einkommen. Aber es wäre ein Fehler, die Bedeutung
CETAs zu unterschätzen: Es ist das erste ambitionierte
Abkommen der EU, das weitreichende Bestimmungen im
Bereich der regulatorischen Zusammenarbeit, der öffent-
lichen Beschaffung und des Investitionsschutzes bein-
haltet. Es dient offensichtlich als Blaupause für andere,
systemisch und geostrategisch bedeutendere Abkommen,
die sich ebenfalls in Verhandlung befinden: jenes mit den
USA (TTIP), auch wenn dieses gegenwärtig auf Eis gelegt
ist, und jenes mit Japan.
Insofern werden wesentliche Bestimmungen von CETA
auch für andere Abkommen zukunftsweisend sein.
Investitionsschutz
. CETA stellt zweifellos einen gro-
ßen Fortschritt gegenüber älteren internationalen Inves-
titionsschutzabkommen dar, denn es enthält sehr viel
klarere und präzisere Definitionen und neue prozedurale
Regeln für Schiedsgerichte. Zum Beispiel wird in der
Präambel des CETA-Abkommens sehr klar festgestellt,
dass das Regelwerk das Recht der Parteien zu regulieren
nicht beeinträchtigen darf. Hierbei wird auf „gerechtfer-
tigte“ politische Ziele im Bereich Gesundheit, Sicherheit,
Umwelt, öffentliche Moral und auf die Förderung und
Sicherung kultureller Diversität hingewiesen.
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Es wird
klargestellt, dass „indirekte Enteignung“ nur für Fälle gilt,
in denen eine Maßnahme nicht verhältnismäßig erscheint.
Vertrauensschutz gilt hierbei nur, wenn Staaten spezifische
Zusagen gemacht haben. Durch verschiedene Maßnah-
men sollen ungerechtfertigte Verfahren verhindert wer-
23 Siehe: http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ceta/ceta-chapter-by- chapter/index_de.html [Stand: 06.03.2017].den, und die Schiedsrichter werden einem Verhaltensko-
dex unterworfen. Dies ist zu begrüßen. Trotzdem wird
das Abkommen kaum zusätzliche Investitionen zwischen
Kanada und der EU verursachen: Denn entweder haben
die CETA-Parteien objektive und unparteiische Gerichte
(z.B. Kanada oder Deutschland), oder es existieren bereits
bilaterale Investitionsschutzabkommen (z.B. zwischen
Kanada und den neuen EU-Mitgliedstaaten
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).
Drei weitere, bisher wenig beachtete Punkte verdienen
größere Aufmerksamkeit. Erstens: Bisher haben die EU-
Mitgliedstaaten für sich Investitionsschutzabkommen
abgeschlossen. Damit waren immer die Mitgliedstaaten
die beklagten Parteien, falls eine Verletzung des Vertra-
ges vermutet wurde. CETA wäre das erste Abkommen,
bei dem die EU diese Rolle einnimmt. Für Investoren
außerhalb der EU bedeutet dies, dass bei Vertragsbrüchen
die EU in Haftung genommen werden kann, möglicher-
weise auch in Bereichen, für die ihre Kompetenz umstrit-
ten ist. Es entsteht die Gefahr, dass so politische Risiken
vergemeinschaftet werden, die bei den individuellen Mit-
gliedsstaaten angesiedelt sind. Dies könnte Fehlanreize
für Investoren darstellen: Sie leiten Investitionen in Mit-
gliedsstaaten mit hohem Risiko um. Außerdem könnten
in den Mitgliedstaaten die Anreize für eigene Maßnahmen
zur Verminderung des politischen Risikos sinken.
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Zweitens: Der Anwendungsbereich des Investitions-
schutzkapitels in CETA erstreckt sich offensichtlich
über das Kompetenzfeld der Union, das auf ausländische
Direktinvestitionen beschränkt ist. Daraus folgt, dass das
Abkommen gemischter Form ist (d.h. die Parlamente der
Mitgliedsstaaten müssen zustimmen). Aus handelspoli-
tischer Sicht ist nicht ersichtlich, warum CETA die im
Lissabon-Vertrag vereinbarte Beschränkung auf Direktin-
vestitionen überschreiten sollte. Letztere spielen für den
Handel von Gütern und Dienstleistungen eine wichtige
komplementäre Rolle; bei anderen Investitionstypen
ist dieser Zusammenhang nicht vorhanden. Es wäre zu
begrüßen, wenn die Verhandlung zukünftiger Freihan-
delsabkommen durch die EU auf jene Teile begrenzt wird,
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Kroatien, Tschechien, Ungarn, Lettland, Polen, Rumänien und Slowakei. Drei dieser Abkommen stammen aus 2011 oder 2012. Siehe http://www. international.gc.ca/trade-agreements-accords-commerciaux/agr-acc/ fipa-apie [Stand: 06.03.2017].2
5 Mit Verordnung (EU) Nr. 912/2014 hat die EU die finanzielle Verant- wortung für Klagen so ausgestaltet, dass grundsätzlich die EU und die Mitgliedstaaten jeweils die Folgen der eigenen Handlungen tragen. Dies schließt aber nicht aus, dass durch CETA eine Angleichung der Ri- sikoprämien erfolgt. Siehe http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ TXT/?uri=CELEX%3A32014R0912 [Stand: 06.03.2017].