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„Sozialkunde ist ein Nebenfach!“

Einsichten und Perspektiven 4 | 15

sium, an der Realschule, an den beruflichen Schulen und

an den Berufsschulen; wer ein sozialwissenschaftliches

Gymnasium besucht, darf sich sogar in einem Kernfach

sozialkundlich bilden. An den Mittelschulen wird poli-

tisches Grundwissen im Rahmen des Fächerverbunds

Geschichte-Sozialkunde-Erdkunde vermittelt, und sogar

in der Grundschule haben einfache Formen der Lehre von

der Politik ihren Platz, im Heimat- und Sachkundeunter-

richt nämlich.

Die Vermittlung staatsbürgerlichen Wissens hat also an

den Schulen durchaus ihren Platz. Aber schwingt nicht

schon auch in dieser Formulierung bereits wieder dieses

unglückselige „Sozialkunde ist ein Nebenfach“ mit? Das

ironisch verkehrte

„non vitae sed scholae discimus“?

Da wird

mal mehr, mal weniger (meist eher weniger, da „Neben-

fach“) theoretisches Wissen angehäufelt, abgeprüft und

benotet. Aber ist es das, was wir meinen, wenn wir von

„politischer Bildung“ sprechen und als deren Ziel den

aufgeklärten, ebenso wertebewussten wie kritikfähigen

Staatsbürger vor Augen haben? Doch bestenfalls so, wie

man davon ausgeht, dass ein Schriftsteller über Grund-

kenntnisse in Satzlehre und Orthographie verfügt: eine

notwendige Bedingung, aber längst nicht hinreichend.

Von den Menschen, die die rechtsstaatliche, demokra-

tische und soziale Gesellschaft dauerhaft am Leben und

funktionsfähig halten, die sie notfalls auch verteidigen

sollen, müssen wir sehr viel mehr erwarten: Anwendung

und Transfer des Wissens, Urteils- und Entschlussfähig-

keit, Identifikation, Bereitschaft zur Mitgestaltung. Dafür

schaffen die Heimat- und Sachkunde- oder Sozialkunde-

stunden des Unterrichts allenfalls das Fundament.

Das bedeutet allerdings keineswegs, dass die Schule

nicht der rechte Ort wäre für vertiefte politische Bildung.

Als Ort des (inzwischen ganztägigen) Lernens, verstanden

in seiner umfassenden Form, kann sie vielmehr weit über

die bloße sozialkundliche Unterweisung hinaus idealer

Trainingsplatz für künftig mündige und kundige Staats-

bürgerinnen und -bürger sein.

Eine Voraussetzung dafür ist, dass politische Bildung

nicht als eng umgrenzter Fachunterricht, sondern als Auf-

gabe aller Fächer angesehen wird.

Natürlich höre ich bei diesem Satz sofort den Einwand,

dies kenne man ja nun aus trüber Erfahrung, schnell sind

die hässlichen Begriffe „Manipulation“ und „Indoktrina-

tion“ bei der Hand.

Karikatur: Michael Hüter