Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 1/14) - page 17

Bulgarien
Einsichten und Perspektiven 1 | 14
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Der Berliner Kongress (13. Juni – 13. Juli 1878) im Reichskanzlerpalais unter Vorsitz von Reichskanzler Bismarck auf dem berühmten
Gemälde Anton von Werners
Foto: ullstein bild – Archiv Gerstenberg
griechischen Kampfes um die Unabhängigkeit vom Osma-
nischen Reich dieses bulgarische Nationalbewusstsein, um
1875 im Aufstand von Stara Sagora und im „Aprilaufstand“
des Jahres 1876 zu gipfeln. Dieser wurde zwar von türki-
schen Truppen blutig niedergeschlagen, aber das russische
Zarenreich, das sich als Führungsmacht aller slawischen
Volksgruppen auf dem Balkan sah, intervenierte nach einer
gescheiterten Konferenz über die Missstände in Rumelien
und erklärte demOsmanischen Reich denKrieg. Militärisch
unterlegen akzeptierte das Osmanische Reich im so ge-
nannten Vorfrieden von San Stefano 1878 die Gründung ei-
nes selbständigen großbulgarischen Staates, der aber wenig
später im Zuge der Verhandlungen auf dem Berliner Kon-
gress im Sommer 1878 wieder in drei Teilstaaten aufgespal-
ten wurde:
1. das selbstständige, aber dem Osmanischen Reich tribut-
pflichtige Fürstentum Bulgarien mit einer sehr modernen,
bis 1947 gültigen Verfassung;
2. die halbautonome Provinz Ostrumelien, die nach der un-
blutigen Revolution in Philippopolis (heute Plowdiw) 1885
die Union mit Bulgarien erklärte;
3. das weiterhin osmanische Makedonien.
Das Zarenreich Bulgarien (1908–1944)
1908 erklärte Bulgarien, dessen Herrscher Ferdinand von
Coburg-Gotha sich in diesem Zuge vom Fürsten zum Za-
ren aufwertete, seine vollständige Unabhängigkeit vomOs-
manischen Reich und versuchte, im Ersten und Zweiten
Balkankrieg (1912-1913) den türkischen Einfluss weiter zu-
rückzudrängen und den eigenen Einflussbereich zu erwei-
tern, jedoch ohne nachhaltigen Erfolg. Um seine Ambitio-
nen v. a. in Bezug auf mazedonisches Territorium doch noch
zu realisieren, verbündete sich Bulgarien im Ersten Welt-
krieg mit Deutschland und Österreich-Ungarn. Doch
durch die Niederlage der Mittelmächte 1918 musste Bulga-
rien hohe Reparationszahlungen akzeptieren, verlor seinen
Zugang zur Ägäis an Griechenland, die Süd-Dobrudscha an
Rumänien und makedonische Gebiete an das neu gegrün-
dete Jugoslawien.
Nach dem Ersten Weltkrieg hatte Bulgarien eine
der stärksten sozialistischen Bewegungen in Europa; die
1899 gegründete Bauernunion unter dem 1923 im Zuge ei-
nes Offiziersputsches ermordeten Aleksandar Stamboliski
wurde sogar kurzzeitig zur dominierenden politischen
Kraft, bis sie von konservativen Kräften verboten wurde.
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