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H

err Dr. Pleticha, mit weit über

vier Millionen verkaufter Bü–

cher zählen Sie zu den erfolg–

reichsten Jugendschriftstellern. Wel–

ches Ihrer Werke war denn der

,größte Renner'?

Es gibt einige ,Longseller', die sich

seit mehreren Jahrzehnten auf dem

Markt halten, etwa mein Buch über

die Ritter und das Leben im Mittelal–

ter oder die ,Geschichte aus erster

Hand'. Diese Titel sind wie kleine

Volkswagen, sie laufen und laufen.

Hohe Auflagen erzielte daneben vor

allem die zwölfbändige ,Deutsche

Geschichte', ein Erfolg, mit dem

niemand gerechnet hatte.

Wie sehen Sie Ihr Schaffen im Ver–

gleich zu anderen Kinder- und Ju–

gendbuchautoren wie Otfried Preuß–

ler oder Michael Ende?

Unsere Bücher kann man nicht mit–

einander vergleichen. Preußler und

Ende sind Erzähler und meisterhafte

dazu. Mein Metier ist nicht der Ro–

man, sondern in erster Linie das

Sachbuch für Jugendliche oder Er–

wachsene.

Wie kam es zur Vorliebe für dieses

Genre?

Hier trafen zwei Dinge zusammen.

Einerseits interessierte ich mich schon

von klein auf für Geschichte, ande-

16 SCHULE

aktuell

rerseits hat es mir als Lehrer immer

großen Spaß gemacht, den Unter–

richt mit anderen Mitteln fortzuführen

und ihn um Aspekte zu ergänzen, die

sonst vielleicht eher zu kurz kommen.

Worauf legen Sie beim Schreiben Ih–

rer Bücher besonderen Wert?

Der ideale Autor eines Sachbuchs

müßte meiner Meinung nach drei

Personen in sich vereinen: den Fach–

mann, der sich in der Materie hervor–

ragend auskennt, den Didaktiker,

der weiß, wie man die Fülle an Infor–

mationen am besten aufbereitet, und

schließlich den Journalisten, der

schreiben kann. Ich habe mich immer

bemüht, diesen Anforderungen so

gut wie möglich zu genügen.

Und welchen Fehler wollten Sie un–

bedingt vermeiden?

Locker daherzuschwätzen! Denn da–

mit überzeugen Sie auf Dauer keinen

Leser, weder den Erwachsenen noch

den Jugendlichen. Ich glaube sogar,

daß ein Autor gerade die jüngeren

Leser nur dann für sich gewinnt, wenn

er durch Sachkenntnis besticht und

sie so für das Thema interessiert. Mit

einem krampfhaft flapsigen Stil, der

sich für keinen noch so schrägen Ver–

gleich zu schade ist, erreicht man al–

ler Voraussicht nach nur, daß ein

Buch schnell zur Seite gelegt wird.

"DAS

FERNSEHEN

HAT KEINEN

SO SCHÄDLICHEN

EINFLUSS AUF

DIE

LESEKULTUR,

WIEIMMER

BEHAUPTET WIRD."

Gilt das nicht in ähnlicher Weise

auch für das erzählende Jugend–

buch?

Natürlich! Preußler und Ende bei–

spielsweise verdanken ihren Erfolg ja

literarisch anspruchsvollen Texten,

die durch poetische Kraft beeindruk–

ken und nicht durch lockere Sprüche

oder seichte Unterhaltung. Auch Kin–

der wollen Lesevergnügen auf ho–

hem Niveau. Anzunehmen, daß sie

mit Zweit- und Drittrangigem zufrie–

den sind oder ihnen billiges ,Blabla'

gefällt, wäre ein großer Irrtum.

Sie engagieren sich seit vielen Jahren

in mehreren Gremien für das Lesen

und die Förderung des Jugendbuchs.

Wie begeistert man eigentlich junge

Leute dafür?

Sicher nicht so, daß man vor ihnen ei–

nen großen Stapel Bücher aufbaut

und sagt: "Nun lies das mal, es sind

alles tolle Bücher, die ich in meiner

Jugend verschlungen habe." Und in–

dem ·man womöglich nach ein paar

Tagen fragt: "Hast du schon eines

der Bücher gelesen? Wie hat es dir

gefallen?" Ich halte mehr davon, daß

Eitern immer wieder Anreize zum Le–

sen geben. Sinnvoll ist es da natür–

lich, wenn man auf ein Buch hinweist,

das dem momentanen Interesse der

Tochter oder des Sohnes entgegen–

kommt. Oder man beobachtet, wie

die Kinder sich im Fernsehen mit gro–

ßer Spannung die Verfilmung der

,Schatzinsel' anschauen, und zieht

dann so nebenbei das Buch von Ste–

v~nson

aus dem Regal und legt es ih–

nen hin. Es kann auch Wunder wir–

ken, Kinder frühzeitig in die Bücherei

mitzunehmen und sie dort ihre eige–

nen Entdeckungen machen zu lassen.

Lesen wird auf diese Weise nicht zum

Zwang, sondern geschieht aus eige–

nem Antrieb!

ln welchem Alter werden die ent–

scheidenden Weichen gestellt?

Je früher, desto besser! Im Vorschul–

alter das Bilderbuch, danach die er–

sten Märchen und Erzählungen usw.

Was in jungen Jahren versäumt wird,

läßt sich später nur schwer nachho–

len. Denn wer bis zum Alter von 12,

13 nicht gelesen hat, der wird auch

später kaum zum Buch greifen.

Lesen Kinder nur, wenn auch die El–

tern lesen?