Bayerns neuer Weg zu
bodenständigen Berufen:
das BGJ·Agrarwirtschaft
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die heutige Eltern–
eneration den Beruf
ürs Leben lernte,
drehte sich die
LehrIingsausbi I–
dung um zwei Pole. Ein Tag in
der Woche gehörte der Berufs–
schule. An den übrigen Tagen
stand der Lehrbub im Betrieb
seinen Mann.
Dieses fest auf zwei Beinen
ruhende, darum "dual" ge–
nannte, System hat in Deutsch–
land eine lange Geschichte.
Die Namen weltberühmter
Pädagogen wie der des Münch–
ner Stadtschulrats Kerschenstei–
ner sind mit ihm verknüpft. Ge–
nerationen lang galt es überall
in der Welt als vorbildlich.
Neuerdings hat sich viel ver–
ändert in der Ausbildung der
Lehr! inge. Das beginnt schon
beim Namen . Was früher ein
schlichter Stift war, heißt heute
hochtrabend
"Auszubilden–
der". Daneben taucht ein neues
Gruselwort auf. Es lautet "Be–
rufsgrundschuljahr", abgekürzt
BGJ. Oamit können viele noch
nichts anfangen. Und warum
überhaupt diese Neuerung, so
fragen sie, wenn vorher doch
alles so prima lief?
Wer sich umsieht in unserer
Wirtschaft, der erkennt rasch
den fundamentalen Wandel der
letzten Jahrzehnte. Unaufhalt–
sam schritt die Technik voran,
neue Produktionsweisen führ–
ten immer weiter weg von der
alten
Handwerkertradition.
Kaum ein Wirtschaftsbereich,
wo alles beim alten blieb.
Allein auf dem Gebiet der
Bautechnik gibt es heute 25
verschiedene Sparten . Der alte
Universalberuf Maurer hat sich
aufgefächert in eine Vielzahl
selbständiger
Spezialzweige
wie Stahlbeton- und Schalungs–
bauer, Eisenflechter, Kaminan–
lagen-und Feuerungstechniker,
Fliesenleger, Stukkateur usw.
Früher überschaubare Bereiche
wurden auf diese Weise für den
Berufsanfänger immer unüber–
sichtlicher. Das Risiko, irgend–
wo falsch einzusteigen, riahm
im gleichen Ausmaß zu.
Nicht weniger als 421 ver–
schiedene Ausbildungsberufe
zählt man heute in der Bundes–
republik. Um mit dieser voran–
schreitenden
Spezialisierung
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Schritt zu halten, muß man
auch in der Lehrlingsausbil–
dung neue Wege gehen. Nach
langen und intensiven Erörte–
rungen mit allen Beteiligten,
mit dem Handwerk, den Kam–
mern und der Schulverwaltung,
scheint jetzt eine Lösung in
Sicht. Sie heißt Berufsgrund–
schuljahr (BGJ).
Was ist das eigentlich? Zu–
nächst: Die Dauer der Lehr–
lingsausbildungbleibt nach wie
vor gleich. Sie gliedert sich jetzt
aber in zwei Abschnitte. Zuerst
besuchen die jungen Leute ein
Jahr lang ausschließlich die Be–
rufsschule. Daran schließt sich
die betriebliche Lehre nach
-dem bisher üblichen "dualen"
Muster an. Das vorgeschaltete
Jahr außerhalb des Lehrbetriebs
heißt "Berufsgrundschuljahr".
Während dieser Zeit sind die
angehenden Gesellen und Ge–
hilfen noch nicht festgelegt auf
einen bestimmten Beruf. Sie
orientieren sich erst einmal
über das Berufsfeld, das sie in–
teressiert. Aber bringt das BGJ
nicht ein Mehr an Verschulung
und Theorie auf Kosten der
handwerklichen Praxis?
Antwort: Nicht Theorie steht
im BGJ an erster Stelle, sondern
die Praxis, die handfesten Fer–
tigkeiten_und Fähigkeiten, mit
denen jeder Lehrberuf steht
oder fällt. Besonders deutlich
lassen sich die Merkmale des
neuen BGJ auf dem Gebiet der
Agrarwirtschaft zeigen . Dazu
gehören die Berufe Gärtner,
Tierwirt, Winzer, Fischwirt,
Florist, Land- und Pferdewirt.
Der Regierungsbezirk Unter–
franken leistete bei der Neuor–
ganisation Pionierarbeit Schon
seit vier Jahren durchlaufen
dort alle Mädchen und Buben,
die sich für einen Agrarberuf in–
teressieren, das BGJ.
An welchen Orten das neue
Modell heute überall angebo–
ten wird, zeigt die nebenste–
hende Karte. Man sieht: auch
in den Bezirken Schwaben und
Mittelfranken geht man schon
den neuen Weg. Oberfranken
wird zum Schuljahr 1982/83
umstellen. Dann nimmt auch
Niederbayern den vollen BGJ–
Betrieb auf. Noch nicht alle
Vorarbeiten sind in Oberbayern
abgeschlossen. Der Start ·zum
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Der richtige Umgang mit Maschinen und Grundkenntnisse
der Materialbearbeitung gehören zum Lehrprogramm.
Angehende Landwirte lernen, wie man
Saatgut für eine bestimmte Ackerfläche
richtig berechnet und abwiegt.