Wie gut war sie wirklich, die gute alte Zeit?
,,Die Münchner Schule
an der Führich·
straße fiel im
!.
Weltkrig zwar
nicht in Schutt
und Asche. Aber
die Fliegerbomben
nahmen sie arg mit.
Die Kunst zu impro·
visieren und hand·
werkliches Geschick
waren für uns Leh·
rer ebenso wichtig
wie Pädagogik."
Fortsetzung von Seite 9
Wie es dabei im letzten Kriegsjahr
zuging, zeigt eine Aktennotiz über
die Lehramtsprüfung der Franziska K.
Mitten in ihrem Probeunterricht
heulten die Luftschutzsirenen . Wäh–
rend die Schüler sofort nach Hause
geschickt wurden, ging das Examen
der jungen Lehrerin im Schutzraum
mündlich weiter. Nach der Entwar–
nung kehrten die Kinder ins Schul–
haus zurück, Fräulein K. führte ihre
Lehrprobe zu Ende.
Am 30 . April1945 besetzten ame–
rikanische Truppen Ramersdorf. Das
tausendjährige Reich war für die
Volksschule an der Führichstraße
überstanden . Die Schreckenszeit
aber war noch nicht zu Ende. ln der
Nacht zum 1. Mai zertrümmerten
die mittlerweile im Schulhaus ein–
quartierten "displaced persons",
nämlich 400 Russen, Ukrainer und
Polen, das Schulmobiliar.
ln den Klassenzimmern loderte of–
fenes Feuer. Stühle, Wandtafeln und
Katheder, ja sogar die Lehrer- und
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Schülerbibliothek gingen in Flam–
men auf. Auch der Linoleumboden
des Turnsaals brannte lichterloh .
Wenig später erlebte das Schulhaus
Partisanenkämpfe zwischen verfein–
deten Ausländergruppen. Es gab so–
gar Tote. Bei Nacht und Nebel ver–
scharrte man sie im Schulgarten . Die
Akten aus dieser Zeit der Führich–
schule spiegeln Chaos, Gewalt und
Rechtlosigkeit.
Vornehmlich russische Gruppen
terrorisierten von ihrem Quartier in
der Schule aus die ganze Umge–
bung. Nacht für Nacht kam es in Ra–
mersdorf zu Überfällen und Schieße–
reien. Handgranaten flogen in die
Häuser. ln den Gängen der Führich–
schule hielt man Schießübungen ab,
Betrunkene lagen herum, dazu Plün–
dergut, ganze Ballons mit Schnaps.
Den Schulleiter, der nach dem
Rechten sehen wollte, schlug man
am Eingang brutal zusammen. ln der
Nacht zum 16. Juni 1945 machten
die Amerikaner endlich dem Schrek-
ken an der Führichstraße ein Ende.
Militärpolizei knüppelte das Schul–
haus leer, vom Dachboden bis zum
Keller. Amerikanische Wachposten
zogen auf. Nur 250 friedliche Ukrai–
ner durften zurückkehren . Sie be–
wohnten den 2. und 3. Stock der
Volksschule und richteten dort -
heute kaum zu glauben - eine Uni–
versität ein .
Ganz allmählich kam auch der
Schulbetrieb wieder in Gang - ob–
wohl im strengen Nachkriegswinter
1945/46 die Fensterscheiben fehlten,
die Türen nicht schlossen, die Hei–
zung defekt war und die Kinder in
Decken gewickelt in den Bänken sa–
ßen. Eigeninitiative war das Gebot
der Stunde. Die Kinder brachten
Brennholz und Kohle von zu Hause
mit. Eitern, aber auch die Amerika–
ner, stifteten ein paar Ofen . So klet–
terte wenigstens in einigen Klassen–
zimmern das Thermometer auf 12°.
Viele Ramersdorfer Kinder konn–
ten allerdings den Weg zur Schule
DAMALS
Deutschlands Zu–
sammenbruch im
Jahre 1945 bescher–
te auch den Schu–
len ein unbe-
.
schreibliebes
Chaos. Monatelang
war an Unterricht
nicht zu denken. In
den Fenstern fehlte
das Glas, durch die
Türen
pfiff
der
Wind. Es gab we–
der Schulmöbel
noch Schieferta–
feln, weder Bücher
noch Brennmate–
rial.