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ausgewerteten Leistungsproben

beruht, spricht die Grundschu–

le am Ende der 4. Klasse für je–

den Schüler eine "Empfehlung"

aus.

Die Eitern erfahren hier von

amtlicher Seite, ob ihr Kind auf–

grund seiner bisherigen Lei–

stungen "geeignet", "bedingt

geeignet" oder "nicht geeignet"

erscheint für den Übertritt an

ein Gymnasium. Die Treffsi–

cherheit auch dieser Prognosen

ist erstaunlich . Sie läßt sich be–

quem daran ablesen, wie die

ans Gymnasium übergetrete–

nen Kinder in der neuen Schule

vorankommen. Stimmt ihr Lei–

stungsbild dort mit dem Gut–

achten

der

Grundschule

überein?

Der

· Leistungsvergleich

kommt tatsächlich zu ähnli–

chen Ergebnissen wie die Un–

tersuchung bei den Juristen:

Obwohl

die

ehemaligen

Grundschüler inzwischen her–

angewachsen sind, sich mit

ganz anderen Ansprüchen und

Lehrgegenständen

befassen

müssen und von anderen Leh–

rern unterrichtet werden, glei–

chen sich die Beurteilungen

doch in auffällig hohem Grade:

Die schon als Zehnjährige in

der Grundschule für "geeignet"

gehaltenen Kinder kommen

auch am Gymnasium viel zügi–

ger voran als die nur "bedingt"

oder "nicht geeigneten". Wie

sehr sich die Bilanzen gleichen,

veranschaulichen die Schaubil–

der links.

Noten sind also keine Runen,

kein Würfelspiel in der Hand

des Zufalls. Wer den Rotstift

zum Sinnbild der Lehrerwillkür

erklärt, ist entweder schlecht

informiert oder tut bewußt Un–

recht. Die schlichten Ziffern auf

den Probearbeiten und in den

Zeugnisspalten sind in Wahr–

heit durchaus aussagekräftige

Merkzeichen für die individuel–

le Begabung, die Einsatzfreude

und Leistungsbereitschaft der

Schüler. Sie geben jedem, der

sie nur lesen will, wertvolle

Richtungshinweise, vergleich–

bar einem Signal, einer Art Am–

pel , die warnt, Halt gebietet

oder freie Fahrt verheißt.

Wie zuverlässig ist das Lehrerurteil?

Zahlen legen Zeugnis ab.

Vor dem Übertritt ans Gymnasium erhält jedes Kind ein Gutachten.

Darin bescheinigt ihm die Volksschule, ob es "geeignet", "bedingt

geeignet" oder "nicht geeignet" erscheint für die weiterführende

Schule. Die Schaubilder oben zeigen, wie treffsicher diese Gutach–

ten sind: Die ersten fünf Schuljahre ohne Wiederholung im glatten

Durchgang schaffen 60 Prozent der "geeigneten" Schüler (1 ), 30

Prozent der "bedingt geeigneten" (2) und nur 17 Prozent der "nicht

geeigneten" (3).

Niemand sollte darum leicht–

fertig auf diese Orientierungs–

hilfe verzichten. Denn nicht

nur das "gesunde Selbstbe–

wußtsein", sondern auch die

Beurteilung durch erfahrene

Lehrer, durch den Vergleich

mit den Leistungen anderer

Schüler ist der Entwicklung för–

derlich.

Er

beugt am besten der

Selbsttäuschung vor und stellt

Falsches richtig. Vor allem aber

gibt er Impulse und spornt an.

Alle Noten haben im Grunde

nämlich den Charakter einer

Aufforderung, eines Appells.

Die guten signalisieren, daß je–

mand auf dem richtigen Weg ist

und so weitermachen soll. Die

schlechten geben ein Zeichen,

daß es so nicht weitergeht, daß

mehr oder auch etwas ganz an–

deres zu tun ist. Zum Beispiel

eine Änderung in der Wahl der

Schulart oder der Ausbildungs–

·richtung.

Ohne dieses den Noten zu

entnehmende Orientierungs–

wissen wären Eitern wie Schü–

ler ratlos. Solange man in der

Schule noch etwas lernen soll,

solange hier klar vorgegebene

Ziele zu erreichen sind, läßt

sich auf Leistung und auf das

Messen und Bewerten dieser

Leistung nicht verzichten.

Selbstverständlich darf Lei–

stung sfets nur dann gemessen

werden, wenn der Lehrer das

gesteckte Ziel zuvor mit seinen

Schülern tatsächlich erreicht

hat, d. h. wenn der vorgeschrie–

bene Stoff im Unterricht nach

den Regeln der pädagogischen

Kunst verständlich gemacht

wurde und die Schüler ihr Wis–

sen und Können entsprechend

erweitert haben. Auf diese Wei–

se werden die Noten dann auch

zu einer Orientierungshilfe für

die Schule selbst: Aus ihnen

vermag sie Rückschlüsse auf

den eigenen Arbeitserfolg zu

ziehen und ihn zu kontrollie–

ren . Die in allen Noten stek–

kende Aufforderung, entweder

so weiterzumachen oder sich

besser anzustrengen, zielt dar–

um nicht nur auf den Schüler.

Zu einem Teil meint sie auch

die Schule.

Die erste und wichtigste Auf–

gabe der Noten bleibt es frei–

lich, dem Schüler unmißver–

ständliche Informationen über

seinen Lernerfolg zu geben . Es

wäre schädlich und für die Ein–

satzfreudezuletzt lähmend. lie–

ße man ihn hierüber im unkla–

ren, müßte er einfach ins Blaue

hinein arbeiten. Wer dies "No–

tendruck " schimpft, verkennt,

dar; Schüler- wie letztlich alle

Menschen - den Wert ihrer Ar-

beit durchaus erfahren wollen,

und zwar möglichst genau . Sie

lehnen das Lehrerurteil von

sich aus keineswegs ab, son–

dern erwarten es, fragen da–

nach.

Selbst wenn einmal das Lei–

stungsgutachten nicht wunsch–

gemäß ausfällt, sich Mißerfolg

und Enttäuschung abzeichnen,

wäre es töricht, Kinder künst–

lich davor bewahren,-' ihnen die

"Stunde der Wahrheit" vorent–

halten zu wollen . Gewiß büßen

sie dadurch lllusionep ein . An–

dererseits muß sie aber jede

Noten-Kosmetik zuletzt nur um

eine Erfahrung betrügen, die

ein notwendiger Bestandteil

wohl jeder charakterlichen Rei–

fung ist.

Wie immer die Noten ausfal –

len: Kein Vernünftiger bezwei–

felt und jeder Praktiker wird be–

stätigen, daß sie eine starke po–

sitive Wirkung auf das Lernver–

halten des Jugendlichen und

seine innere Entwicklung aus–

üben . Darum wäre eine Schule

ganz ohne Noten, ganz ohne

Leistungsmessung und Erfolgs–

kontrollen (wie sie Schwarm–

geister vor wenigen Jahren lär–

mend verlangten, heute aber

meist nur mehr in Zimmerlaut–

stärke fordern), wohl weder

sehr kindgemäß noch pädago–

gisch besonders wertvoll.

Ebenso unbestreitbar wie der

erzieherische Wert der Lei–

stungsmessung ist schließlich

auch ihre gesellschaftliche Be–

deutung. Sie reicht weit über

den Bildungsraum hinaus. No–

ten bewerten ja nicht nur punk–

tuell, etwa ein Fach über den

Zeitraum einer Woche oder

mehrerer Monate hinweg. ln

der Schlußbilanz vieler Jahre

verleihen oder verweigern sie

zuletzt stets auch Berechtigun–

gen. Zunächst steuern sie Bil–

dungs- und Berufsgänge, auf

längere Sicht dadurch aber

auch den Lebensweg junger

Menschen .

Nicht alle Kinder aus einem

Geburtsjahrgang können das

gleiche Ziel erreichen . Bega–

bung, Einsatzwille, Interesse

und Intelligenz sind dafür viel

zu verschieden. Daß entspre–

chend der individuellen Lei–

stungskraft möglichst immer

de~

Richtige zum Zuge kommt

und so insgesamt "jedem das

Seine" zuteil wird im Leben -

auch das ist nicht zuletzt eine

wichtige Aufgabe der Noten

und der Endsumme, zu der sie

sich im Laufe langer Schul- und

Ausbildungsjahre für jeden von

uns zusammenaddieren.

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