ICH SAGE, WAS ICH DENKE
DR. JOACHIM KAISER, 63,
IST PROFESSOR FÜR
MUSIK UND SEIT ÜBER
30 JAHREN FEUILLETON·
REDAKTEUR DER
SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
VOR ALLEM ABER ZÄHLT ER
ZU DEN EINFLUSSREICHSTEN
KULTURKRITIKERN
IN DER BUNDESREPUBLIK.
H
err Dr. Kaiser, Sie werden häu–
fig als einer der maßgeblichen
Musik- und Literaturkritiker der
Bundesrepublik bezeichnet. Worin
sehen Sie Ihre Aufgabe? .
Wissen Sie, es gibt in Deutschland ein
kulturell sehr interessiertes Bildungs–
bürgertum, bei dem eine große Be–
reitschaft vorhanden ist, sich mit Mu–
sik, Literatur oder dem Theater näher
zu beschäftigen. Diesem Publikum
fühle ich mich verpflichtet, und für
das schreibe ich. Wichtig erscheint
mir dabei vor allem, daß ich glaub–
würdig bleibe, indem ich ehrlich sa–
ge, wds ich denke. Selbstverständlich
muß das Publikum aber auch spüren,
daß man für seine Arbeit eine gewis–
se Fachkompetenz besitzt.
Verstehen Sie sich als Pädagoge?
Es kommt schon mal vor, daß ich so–
zusagen öffentlich eine Art Privatun–
terricht erteile, einem Sänger oder
Pianisten sage, wo in seinem Vortrag
Schwächen waren oder worauf er
besonders achten sollte, aber das ist
nicht die Regel. Bei der Uraufführung
eines Theaterstückes liegt der Fall
zum Beispiel völlig anders, da küm–
mere ich mich weniger um die Insze–
nierung oder die Schauspieler, son–
dern versuche, das Stück in Zusam–
menhang zu bringen mit dem, was
man bisher von diesem Autor kennt.
SCHULE
aktuell
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