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DIEBRUTALE

BOTSCHAR

DES

BILDSCHIRMS

Fortsetzung von Seite 11

zum Beispiel durch den Natio–

nalen Kirchenrat der USA.

Aber bisher verhallte noch

jeder Protest ohne Wi rkung.

Der Grund : Die Kritiker konn–

ten sich immer nur auf ihren

subjektiven Eindruck berufen.

Niemand hatte exakte Belege

und Zahlenbeweise an der

Hand. Das w ird nun anders.

ao-

60-

40-

20-

Nachmittag Vorabend

89

51

10

--–

s -- .... ----

Abend

Spätabend

-

6

7

Erstmals im deutschsprachi–

gen Raum wurde jetzt gemes–

sen, w ie hoch die Dosis Gewalt

im Fernsehen tatsächlich ist.

Dazu ließ die Redaktion dieser

Zeitschrift vom 3. bis 9. August

1985 das komplette Fernseh–

programm von ARD und ZDF

aufzeichnen . Alle Szenen mit

Kinnhaken und K.-o.-Schlägen ,

Messerstechereien und Bild–

schirmmorden wurden ausge–

zählt.

D11s Gewilltprofil des Fernsehprogr11mms

Dabei hatten die Fernsehan–

stalten einen beachtlichen

Startvorteil : Die Beobachtungs–

woche fiel nämlich voll ins so–

genannte Sommerloch mit

stundenlangen

Sportübertra–

gungen und viel harmlosem Fe–

rienprogramm . Insgesamt wur–

den mehr als 5000 Sendeminu–

ten auf Videoband festgehalten,

1500 Fragebögen mit je 200

Einzelmerkmalen

ausgefüllt.

450 Meter lang ist das Papier–

protokoll, auf dem der Compu–

ter das Wochenprogramm fest–

hielt und auswertete.

Untahäutung

Drei Doude und zwoa Schwaavoletzde

bis um Achde

und vo Achde bis um Zwäife

nomoi via Doude

genau gsagd

oa Daschossna

oa Dastochana

oa Dadrosslda

und oa Vog ifda

außadem no

drei Massnschlägareian

a abgstiatzda Fl

i~ga

und a exblodiade Eisnbahnbrugg

Heid hod sa se wieda rentiad

s Feansehschaung

Gewalthandlungen

insgesamt

Gewaltmit

Todesfolge

Gewaltohne

Körperverletzung

Gewaltmit

Körperverletzung

Das schockierende Ergebnis:

Im Durchschnitt kommt es in

unseren Fernsehprogrammen

alle acht Minuten zu irgend–

einer Gewaltszene. Von insge–

samt 560 Erfassungsbögen zum

ARD-Programm der Testwoche

brachten genau 243 den Be–

fund "Gewalt", also jeder zwei–

te. Eine Stimme aus dem Beob–

achtungsteam : "Völlig gewalt–

frei waren eigentlich nur die

Programmtafeln und die Wer–

bung. "

Wer bisher glaubte, das

Abendprogramm sei besonders

gewaltträchti'g, die Sendungen

in den Stunden davor aber

nicht, der muß umdenken . Die

Computer-Auszählung ergab

nämlich ganz eindeutig: Gera–

de das Vorabend-Programm

zw ischen 16.00 und 20.00 Uhr

hält den Rekord an Gewalt–

szenen (Schaubild oben).

Besonders alarmierend : Die

Killer tummeln sich gern auch

im Kinderprogramm. Gewalt–

szenen mit Todesfolge waren in

den Nachmittagsstunden der

Testwoche sogar weit öfter zu

sehen als im Abend- und

Nachtprogramm.

Ein we iteres Detail : Kommt

Medienkritik in Mundart, vorgetragen von Joseph Berlinger

12

Im ARD-Programm gab

es während der Testwoche

243 gewalttätige Bildfolgen.

Das Schaubild zeigt, wie

sich die Brutalszenen über

die Tageszeit verteilten.

es zu Gewaltszenen im Fernse–

hen, dann enden sie in der Re–

gel mit dem Tode des oder der

Betroffenen·. Körperverletzun–

gen sind dagegen selbst nach

den furchtbarsten Schlägen

kaum feststellbar. Warum? Die

simple Dramaturgie der Dauer–

keilerei kann offenbar nur Tote

gebrauchen oder sofche Mit–

spieler, die nach dem K.-o.–

Schlag sofort wieder aufstehen:

Die Geschichte muß ja weiter–

gehen zur nächsten Keilerei,

Rüpel- oder Totschlagsszene.

Womit operiert die Fernseh–

gewalt? Es zeigte sich , daß der

körperliche Angriff bei weitem

dominiert. Genau 317mal wur–

de während der Beobachtungs–

woche auf dem Bildschirm zu–

geschlagen, mit Fäusten und

Fußtritten im Kampf Mann ge–

gen Mann . Damit war diese be–

sonders gemeine Form der Ge–

walt bei weitem am häufigsten

vertreten.

Zum Vergleich :

98mal wurde scharf geschos–

sen, 14mal zugestochen .

Interessant ist auch, in wel- ·

chen Filmgattungen und Pro–

grammsparten die Gewalt be–

vorzugt auftaucht. Daß We–

stern- oder Action-Filme von

ihr leben, ist sozusagen todsi–

cher. Daneben aber kann mit

Hilfe der neuen Erhebung nun

nachgew iesen werden, daß die

Filmvorschau, der sogenannte

Trailer, in punkto Gewalt noch

weit schlimmer dasteht. Hier

werden gerade die übelsten

Brutalitäten und Schlägersze–

nen aus den angekündigten

Streifen als "Appetitmacher"

serviert.

Stimmt die land läufige Mei–

nung, daß Zeichentrickfilme

wie Kater Tom nur harmlose

Unterhaltung bringen? Platt–

walzen und Schlagen sind auch

hier an der Tagesordnung. Die

Tiere werden an die Wand ge–

knallt oder zwischen Türen ge–

klemmt, müssen furchtbare

Stürze, Stöße und brutale Ver–

renkungen aushalten . Gerade

weil diese Szenen - wider alle

Natur - weder zu Leid no5j

Schmerz oder gar zum Tod fü

ren, sondern die Lachmuskeln

re izen sollen, leisten sie der

Verharmlosung von Gewalt

Vorschub. Ähnliches gilt auch

für Slapsticks wie " Dick und

Doof" (SchaubildS. 13 r. oben).

Inhumane

Gewaltanwen-

dung ist aber nicht nur auf dem

Bildschirm

allgegenwärtig.

Womöglich noch härter schlägt

sie im Kino zu . Der im Sommer

1985 angelaufene Film " Loft"

ist dafür ein Beispiel. in quä–

lend langen Einstellungen zeigt

er, wie Menschen terrorisiert,

vergewaltigt und hingemetzelt

werden . Selbst die niederträch–

tigsten Verbrechen werden voll

ausgeleuchtet, mit allen ent–

setzlichen Einzelheiten vorge–

führt. in den 93 Minuten von

" Rambo II" kommt es zu mehr

als 200 Gewalttaten .

Ob Eastern oder Western,

Y

Science-Fiction- oder Sex-Film:

Regelmäßig wird hier gemar–

tert, massakriert und geschän–

det. Selbst in Historien-Filmen

laufen oft unter dem Vorwand

der geschichtlichen Dokumen–

tation ausgedehnte Gewalt–

handlungen . Von Rockerfil–

men, Karate- und Kung-Fu-Fet–

zern aus Fernost und Zombie–

Horror ganz zu schweigen .

Originalton aus einer Werbe–

kampagne : " Nie-hat ein Film so

genervt, so gelähmt, so ge–

schockt. Menschen werden

verstümmelt, erstochen , er–

schlagen, geköpft, verbrannt!"

Man könnte mit einem ange–

w iderten Kopfschütteln zur Ta–

gesordnung übergehen, wäre

da nicht eine alarmierende

Feststellung der Bundesprüf–

stelle für jugendgefährdende

Schriften : Über 40 Prozent aller