Im Süden leben
Schüler sicherer
Das Risiko der Kinder Ist ungleich verteilt. Die norddeutschen
Großstädte sind für sie am gefährlichsten. Der Freistaat Bayern
Ist am sichersten -einschließlich der Landeshauptstadt
Fortsetzung von Seite 5
der auf der ganzen Welt ge–
rühmten deutschen Sozialversi–
cherung. Allerdings: Die Si–
cherheit hat ihren Preis. Im Jah–
re 1980 kostete sie in Bayern
fast 29 Millionen . Das Geld,
das der GUV dafür aufbringen
muß, holt er sich von seinen
Mitgliedern, nämlich den Ge–
meinden, Städten, Landkreisen
und Schulverbänden, letztlich
also von uns Steuerzahlern.
Diese Kosten - pro Unfall
heute schon rund 250 Mark -
nicht weiter anwachsen zu las–
sen , liegt also im Interesse aller.
Das gewissenhafte Befolgen der
Sicherheitsvorschriften
sollte
darum selbstverständlich sein .
Wo die Richtlinien "Bau und
Ausrüstung von Schulen" nicht
eingehalten werden, kann ein
Fall wie
di~ser
passieren :
Sonja R., 11 Jahre alt, Schü–
lerin in einem Gymnasium,
hatte eine Freistunde. Während /
sich ihre Freundinnen in der
Pausenhalle unterhielten, setz–
te sie sich auf ein Treppenge–
länder im oberen Stockwerk
und rutschte nach unten . Kurz
darauf härten die Mädchen
einen angsterfüllten Schrei,
dann einen Aufschlag. Sonja
hatte den Halt verloren und war
abgestürzt. Bewußtlos lag sie
auf dem Betonboden.
Im Krankenhaus stellte sich
heraus : Gehirnerschütterung
und Querschnittslähmung. Die
unmittelbaren
Unfallfolgen,
Behandlungen in Spezialklini–
ken, Kuren, der notwendige
Rollstuhl, Sonderunterricht und
Fahrten zur Schule kosteten die
Unfallversicherung eine fünf–
stellige Summe. Hinzu kommt
eine lebenslängliche Rente. Ab
April 1983 erhält Sonja monat–
lich 364 Mark.
Gewiß: Das kleine Mädchen
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trägt sein Schicksal tapfer.
Doch was heißt hier Schicksal?
Hätte der Unfall nicht von
vornherein verhindert werden
können? ln den Richtlinien der
Gemeindeunfallversicherung
heißt es unter dem Stichwort
Treppen : "Rutschen auf Gelän–
dern ist durch entsprechende
Gestaltung zu erschweren."
Darauf hatte man beim Bau von
Sanjas Schule nicht geachtet.
Das Treppengeländer lud zum
Mißbrauch geradezu ein.
Für Sicherheit in der Schule
zu sorgen, ist zunächst die
Pflicht des Sachaufwandsträ–
gers. Das kann eine Gemeinde,
eine Stadt, das Land oder ein
Zweckverband sein . Sie alle
sind auf die Mithilfe des Schul–
leiters angewiesen . Er muß
einen Lehrer zum Sicherheits–
beauftragten bestellen . Dessen
Aufgabe ist es, gefahrenträchti–
ge Bereiche im Schulhaus und
in den Außenanlagen festzu–
stellen und weiterzumelden.
Scharfkantige
Kreideablagen
oder herausragende Kleiderha–
ken gehören ebenso dazu wie
schlecht erkennbare Treppen–
absätze oder falsch angebrach–
te Heizkörper.
Der Leiter der Schule muß
Gefahrenquellen, die Leib und
Leben der Kinder bedrohen,
dem Sachaufwandsträger mel–
den. Auch muß er dafür sorgen,
daß sie unverzüglich beseitigt
werden . Darüber hinaus hat er
eine Informationspflicht Leh–
rern und Schülern muß er die
Sicherheitsbestimmungen be–
kanntmachen und dafür sor–
gen, daß sie beachtet werden.
Dabei hilft der GUV nach
Kräften mit. Er gibt den Schulen
Merkblätter, Lehrerbriefe, Pla–
kate, Aufkleber und Filme an
die Hand. Auch schickt er tech–
nische Aufsichtsbeamte, wenn
es darum geht, gefährliche Stel–
len im Schulhaus sicher zu ma–
chen. Oft genügen schon ein
paar Blumenkübel, um ein Po–
dest abzusichern, den Sturz im
Treppenhaus zu verhindern.
Doch zeigt die Erfahrung: ln
der Regel müssen Umbauten
Abhilfe schaffen .
Sicherheitsbewußtes Verhal–
ten ist Kindern nicht angebo–
ren . Sie müssen dazu erzogen
werden. Deshalb sind die
Schüler im Unterricht darüber
aufzuklären, wo Gefahren lau–
ern und wie sie zu meiden sind.
jedes Mädchen, ·jeder Bub soll–
te wissen: Der Schulunfall ist
kein Zufall . Es gibt Ursachen,
die man rechtzeitig erkennen
und aus dem Weg schaffen
kann, noch ehe etwas passiert.
Kinder sollten lernen, daß auch
gedankenloses Verhalten un–
fallträchtig ist. jede Schwingtü–
re wird für blaue Beulen und
blutende Nasen sorgen, wenn
man sie ohne Rücksicht auf
nachfolgende Schüler losläßt.
Mehr als 100 000 Schülerun–
fälle pro Jahr
~llein
in Bayern
sind eine schockierende Zahl .
Dabei steht der Freistaat noch
verhältnismäßig gut da. Ein
Richtlinien
Bau und AusrOstung
•••
Schulen
L____.J- --
Eine Broschüre, die
Sicherheit ln sich hat: Die
Richtlinien "Bau und
Ausrüstung von Schu–
len" gibt es kostenlos für
Elternbeiräte beim Ge–
meindeunfaii-Versiche·
rungsverband,PosHach
125, 8000 München 34.
Blick über die weißblauen
Grenzpfähle zeigt nämlich : ln
Norddeutschland ist die Bilanz
weit deprimierender. Harn–
burg, Berlin und Bremen mel–
den eine fast doppelt so hohe
Quote wie München . Auch im
Flächenstaat Niedersachsen ist
das Unfallrisiko der Schüler
weitaus größer als in Bayern
(siehe Schaubild links).
Wer über die Ursachen sol–
cher Unterschiede nachdenkt,
sollte eins nicht übersehen:
Bayern hat als einziges Bundes–
land die vom GUV geforderten
Fachberater für Verkehrserzie–
hung und Unfallverhütung in
die Schulverwaltung einge–
führt. Aus erster Hand unter–
richten diese Spezialisten- ins–
gesamt 134 im Freistaat - die
Lehrer für Verkehrserziehung
sowie die Sicherheitsbeauftrag–
ten der einzelnen Schulen. D:>
bei geht es nicht nur um
und neue Vorschriften, sondern
um alle Fragen und Erkenntnis–
se in punkto sichere Schule.
Verhütung von Unfällen darf
aber nicht nur die Aufgabe we–
niger Spezialisten sein . Auch
und vor allem die Eitern s'ind
hier gefordert. Sie sind es, de–
nen aus den Erzählungen ihrer
Kinder Gefahrenstellen im
Schulhaus signalisiert werden :
"Mutti, heute habe ich mir an
der Tafel die Hand gequetscht."
Oder: "Gabi und ich sind heute
über den Fußabstreifer gestol–
pert." Solche Sätze, nebenbei
am Mittagstisch geplaudert,
sollten Eitern nicht nur aufhor–
chen, sondern aktiv werden
lassen . Ansprechpartner für Be–
obachtungen ist immer der
Schulleiter oder der Sicher–
heitsbeauftragte.
Auch aus der Arbeit des
ternbeirats darf das Thema Si–
cherheit in der Schule nicht
ausgeklammert werden . Er
kann dazu beitragen, daß Kin–
der in der Schule vor Schäden
bewahrt werden . Jeder Eltern–
beirat erhält nämlich kostenlos
die Richtlinien "Bau und Ausrü–
stung von Schulen" zuge–
schickt. Eine Postkarte an den
Bayerischen Gemeindeunfall–
versicherungs-Verband, 8000
München 34, Postfach 1 25 , ge–
nügt.
Mit Hilfe dieser Informatio–
nen lassen sich etwa fehlende
Sicherheitsvorkehrungen
im
Schulgebäude leicht auffinden.
Sinnvolle Anregungen und Ver–
besserungsvorschläge wird je–
der Schulleiter gerne anneh–
men . Schließlich geht es um
die Gesundheit, um Leib und
Leben unserer Kinder.
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