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Zum Stichwort

"sticken" fiel

Grundschülern der

4. Klasse viel ein.

MitGarn und

Nadel zauberten sie

aus tausend kleinen

Kreuzstichen bunte

"Gemälde" für die

Wohnzlmmerwand.

14

Fortsetzung von Seite 13

tung von Kleidern. Dann

wahlen sie Material, Farbe

und Schnitt, und zwar unter

dem Gesichtspunkt: "Nicht

jeder kann alles tragen. Was

steht mir persönlich am be–

sten?~~

Wer sich vorschnell als

Nachwuchs-Dior fühlt und

meint, sein Genie führe ihm

von alleine Schere und Na–

del, der sieht schnell ein:

Schneidern ist Präzisionsar–

beit. Die technischen Schrit–

te wollen gelernt und geübt

sein. Einen Schnitt herstellen,

zuschneiden,

anprobieren,

nähen, Kanten versäubern -

es ist ein schwieriger Weg

bis zum fertigen Kleid.

Viele junge Leute können

es sich aber vorstellen, den

Umgang mit Textilien zum

Beruf zu machen. Deshalb

sieht der Lehrplan auch vor,

ihnen Einblick in die Branche

zu geben und damit Ent–

scheidungshilfen für die spä–

tere Berufswahl. Tatsächlich

gibt es im Bereich Textil mehr

Berufe als der Laie ahnt: von

der Garnerzeugung und -Ver–

arbeitung, über die Textilver–

edelung und Färberei, bis hin

zum Design.

Der Lehrer, der diese Fülle

und Vielfalt von "Stoff" un–

terrichtet, muß ein Könner

sein. Ihm wird viel mehr

abverlangt als "zwei rechts,

zwei links". Das Fach Hand-

arbeit/Textilarbeit/Textiles

Gestalten setzt beim Lehrer

eine künstlerisch-handwerk–

liche Allroundbegabung vor–

aus, geschickte Hände und

einen sicheren Geschmack.

Obendrein braucht er viel

pädagogisches Talent; denn

der Umgang mit einer Schul–

klasse im Werkraum ist

schwierig. Er muß bis ins De–

tail geplant und organisiert

werden. Auch bei erfahrenen

Lehrkräften ist der Unterricht

regelmäßig mit aufwendiger

Vorbereitungsarbeit verbun–

den. Nicht umsonst dauert es

sieben volle Jahre, bis die

angehenden Handarbeitsleh–

rer ihre theoretische und

praktische Ausbildung abge–

schlossen haben.

Manches von dem, was ihr

Unterricht bei den Kindern

bewirkt, bleibt dem Auge

verborgen. Vieles schwingt

unsichtbar im Raum, hat mit

Stoff und Textilarbeit zu–

nächst gar nichts zu tun, wird

aber spürbar im Klassengeist

Den Gruppenunterricht im

Fach Handarbeit führt der

Lehrer mit lockerer Hand:

Man sitzt nicht stumm in

der Bank, sondern hilft sich

gegenseitig, bespricht Lösun–

gen, diskutiert originelle Ein–

fälle und Gestaltungsideen,

lernt auch Eigenarten des

Nachbarn zu akzeptieren, Er–

folge anderer anzuerkennen.

Am stärksten wird das Ge–

meihschaftserlebnis,

wenn

sich eine Gruppe oder eine

ganze Klasse an ein großes

Werk macht, zum Beispiel

einen Wandteppich für die

Aula oder das Treppenhaus

der

Schul~.

Dann müssen alle

Beteiligten aufeinander hö–

ren und eingehen, sich ge–

genseitig anregen und

korri~

gieren, damit zum Schluß die

Einzelteile ein harmonisches

Ganzes ergeben.

Gleichgültig, ob ·sich

Schüler mit einem nützlichen

Gebrauchsgegenstand oder

mit einem Dekorationsstück

beschäftigen: Die meiste Zeit

des Unterrichts verwenden

sie für die praktische Arbeit

beim Gestalten und Lösen

von Formproblemen. Das

macht den Kindern Freude,

verschafft ihnen auch Aus–

gleich gegenüber der geisti–

gen Beanspruchung durch an–

dere Fächer. Vor allem gibt

die Textilgestaltung den ein–

seitig manuell Begabten ein

Arbeitsfeld, auf dem sie sich

bewähren können, das auch

ihnen' Erfolgserlebnisse be–

schert.

Gerade in unserer Zeit der

billigen maschinell gefertig–

ten Serienprodukte, zieht

e~

viele jugendliche zur Ha( '

arbeit: Weil das Seibergt–

machte eine persönliche Note

hat, weil man es liebevoll in–

dividuell und originell ge–

stalten und ein Stück seiner

selbst darin zum Ausdruck:

bringen kann. Kein Wunder,

daß viele Schüler lernen wol–

len, mit Nadel, Faden und

Stoffen kreativ zu sein. An

Gelegenheit fehlt es nicht.

Ob "Handarbeit", "Texti I–

arbeit" oder "Textiles Gestal–

ten" -stets wird in zwei Wo–

chenstunden unterrichtet. Es

ist Pflicht für alle Schüler in

den ersten beiden Grund–

schulklassen und in der 5.

und 6. Gymnasialklasse für

die Mädchen. Es ist Wahl–

pflichtfach für Volksschüler

von der 3. bis zur 9. Klasse

und für alle Realschüler. Wer

will, kann also jahrelang sei–

ne Talente auf diesem Gebiet

üben und entfalten. Auch

wenn ihn die Natur nicht zum

Mädchen machte, sondern

zum jungen Mann.