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Der Fall:

Der

nicht von schlech–

ten Eltern. Woommmm–

rummmmssss!!! kracht er

mitten in die Mathestunde,

begleitet vom Getöse einer

Knallfroschherde. Entsetzt

fährt alles durcheinander,

stürzt aus der Bank, zu Tür

und Fenster. Studienrat M .

steht bleich an der Tafel,

ringt im Pulverdampf nach

Worten. Ein Kreuzverhör

bringt es dann bald zu

Tage: Karl, 14 Lenze jung,

hat die Krachmacher vqn

Sylvester zurückgelegt "für

einen Faschings-Jux in der

Schule", wie er sagt. Den

findet aber niemand lustig.

Nicht nur eine geschmalze–

ne Ordnungsmaßnahme soll

es geben. Die Schule will

auch Strafanzeige gegen

den jungen Feuerwerker er–

statten . " Der Cracker war

doch eigentlich harmlos, die

Frösche richten sowieso

nichts

aus! ~'

protestiert Karl.

"Bei Schreibwaren-Ypsilon

hat man sie mir im Dezem–

ber verkauft - ganz legal.

Und außerdem: Für ein ein–

ziges krummes Ding gleich

zwei Strafen? ,Ne bis in

idem!', sagten schon die al–

ten Römer!"

Das Recht:

Karl hat juri–

stisch drei Knalleffekte er–

ziel·t. Zwei davon richten

sich gegen ihn selbst: Zu–

nächst sagen die ergänzen–

den Bestimmu

zu

§

'38

und

KarI

hat

sich

der Allgemeinen Schulord–

nung (ASchO) : Gegenstän–

de, die Unterrichts- und Er–

ziehungsarbeit oder die

Ordnung der Schule stören

können, dürfen nicht mit–

gebracht werden. Gegen

dieses Verbot hat Karl ver–

stoßen, sogar auf besonders

gefährliche Weise. An ei–

ner empfindlichen

Ord~

nungsmaßnahme wird er

darum nicht vorbeikom–

men . Aber nicht nur die

ASchO, sondern auch ein

Gesetz hat er mit seiner

Kn'allerei übertreten. Bei

den Krachmachern handelt

es sich nämlich um "pyro–

technische Gegenstände der

Klasse II " . Laut Erster Ver–

ordnung zum Sprengstoff–

gesetz vom 23. Nov. 1977

dürfen solche Feuerwerks–

körper zwischen dem 2. Ja–

nuar und dem 30. Dezem–

ber eines Jahres ohne be–

sondere Erlaubnis nirgends

abgebrannt werden. Die ju–

ristischen Folgen für Karls

Ordnungswidrigkeit reichen

bis zur Geldbuße von 10000

Mark! Daß er zur Tatzeit

zum Erkennen seiner Un–

rechthandlung reif genug

war, dürfte trotz seiner 14

Jahre anzunehmen sein.

Immerhin kennt und zitiert

er ja sogar lateinische

Rechtsregeln. Und eine ver–

botene " Doppelbestrafung"

ist es auch nicht, wenn ihm

neben dem blauen Brief der

Wer hat recht?

Fälle aus dem Leben

der Schule

e,

die

Ord-

nungsmaß-

nahme

be-

kanntgibt, auch

noch ein amtlicher Buß–

geldbescheid ins Haus flat–

tert. Denn : Weder schu–

lische

Ordnungsmaßnah–

men noch Bußgelder sind

im juristischen Sinne Stra–

fen. Die einen dienen dazu,

den Unterrichtsbetrieb un–

gestört aufrechtzuerhalten,

die anderen wollen das ver–

letzte Recht ahnden. Das

aber sind zwei ganz ver–

schiedene Di'nge, die sich

gegenseitig nicht ausschlie–

ßen. Der dritte Knalleffekt

in dieser Geschichte betrifft

den Schreibwarenhändler.

Weil er Karl die Cracker

und Pulverfrösche verkaufte,

hat er ebenfalls eine Ord–

nungswidrigkeit begangen .

Er hat nämlich gegen

§

22,

Abs. 3 des Sprengstoffge–

setzes verstoßen. Dort wird

verboten, explosionsgefähr–

liche Stoffe Personen unter ·

18 Jahren zu überlassen.

Fällt

Venedig ins

Wasser?

Der Fall:

Um Marina gibt

es Wirbel. Die Studienfahrt

nach Venedig steht für sie

auf dem Spiel; blockiert

vom Machtwort der Eltern :

"Die Mädchen sollten sich

lieber Bayern ansehen als

die sumpfige Lagunenstadt

an der Adria! " Weder Ma–

rinas Tränen noch die Für–

sprache des Klassenleiters

und sein Hinweis auf Bil–

dungsgewinn und Erzie–

hungszweck der Reise erwei–

chen den elterlichen Wider–

stand. Dabei sagen alle Leh–

rer, daß es Mq.rina gut täte,

in der Klassengemeinschaft

zu reisen. Sie neigt ohnehin

zum Mauerblümchen. Ob–

wohl die Eltern ihr Nein

nicht mit den Reisekosten

begründen (immerhin

250,–

Mark), sammeln die Mäd–

chen zum Schluß auch noch

das Fahrgeld für Marina.

Doch alles vergebens: das

Elternveto bleibt bestehen.

Sollte man in dieser Not die

Justiz bemühen?

Das Recht:

Auch das höch–

ste Gericht könnte Marina

nicht heiJen. Die Schalord–

nung legt in solchen Fällen

die Entscheidung allein in

die Hand der Eltern Stu–

dienfahrten, so sagt sie, sind

schulische Veranstaltungen

außerhalb des stundenplan–

mäßigen Unterrichts, und

damit grundsätzlich freiwil–

lig. Das heißt: Über die

Teilnahme entscheiden bei

noch minderjährigen Schü–

'Jern in letzter Instanz die

Eltern, die Erziehungsbe–

rechtigten.

Eine Teilnahmepflicht für

alle Schüler - also notfalls

auch gegen den Willen der

Eltern - bestünde nur dann,

wenn der Schulleiter die

Fahrt zur "verbin<:Jlichen

schulischen Veranstaltung"

erklärte. Na also! wird man–

cher sagen, damit hätten

wir ja ein Hintertürchen für

Marina in .Richtung Venedig.

Leider aber geht diese Rech–

nung nicht auf. Außerun–

terrichtliche

Pflichtveran–

staltungen dürfen nämlich

nur bis zu einer zumutßa–

ren Kostenschwelle von

DM 30 pro Kind und Schul–

jahr angeordnet werden

(ohne Verpflegungskosten).

Weil die Reise nach Vene–

dig erheblich teurer kommt

und die Eltern ihr Veto auch

nicht zurücknehmen, wird

die noch minderjährige Ma–

rina also wehen Herzens

am Bahnsteig zurückblei–

ben, wenn die Klasse gegen

Süden rollt. Bis zur Wieder–

kehr muß das Mädchen den

Unterricht einer anderen

Klasse besuchen.

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