Schöpferisch nach Stich
und Faden: Eine
_Zehnjährige entwarf und
stickte die edle Rothaut
(oben), den lustigen
Teppich mit Bildern aus
Tüll (unten) gestaltete
eine Hauptschulklasse
ln Gemeinschaftsarbeit.
S
chon wieder 7 Mark 80!
Ja muß denn das sein?"
Unmutsfalten
graben
sich in so manche El–
ternstirn, wenn in der Schu–
le für irgend etwas Geld ein–
gesammelt ·w ird . Denn trotz
der Lernmittelfreiheit und
kostenlosem Schulbus fallen
im Laufe eines Jahres doch
allerlei Extrakosten an: für
Hefte und Stifte, für Zei–
chenzeug und Zirkel, für
Fahrten, Farben und Folien.
Besonders kräftig bittet ein
Unterrichtsfach die Eltern zur
Kasse, das gleich unter meh–
reren Namen im Stundenplan
steht: Je nach Schulart und
Jahrgangsstufe heißt es entwe–
der "Handarbeit" oder "Tex–
tilarbeit" oder "Texti Ies Ge–
stalten". Im Widerspruch zu
seiner Namensfülle führt das
Fach ein bescheidenes Da–
sein an unseren Schulen. Ei–
gentlich schade, meint S&W
und wohl jeder, der sich mit
der Materie ein ,bißchen nä–
her beschäftigt Eltern rücken
oft nur ungern tnit Mark und
Pfennig heraus, wenn die
Handarbeitslehrerin wieder
einmal eine Rechnung prä–
sentiert Aber sie sehen ein :
Ohne Wolle kann man nicht
stricken, ohne Stoff nicht nä–
hen, ohne Garn nicht sticken.
Und zu guter Letzt liegen ja
auch manch schicker Pullover,
ein dekorativer Wandbehang
oder gar ein modisches Kleid
als sichtbare Ergebnisse vor,
die den Schmerz der Mate–
rialkasten vergessen lassen.
Mütter und Väter freuen
sich über die schönen "Mit–
bringsel", sind stolz auf die
Geschicklichkeit ihrer Kinder
und sehen es gern, daß man
in der Schule etwas so Schö–
nes und Nützliches lernt Da–
mit sind schon die zwei we–
sentlichen Elemente aller
Tex–
tilgestaltung im Unterricht
genannt: das Schöne und
das Nützliche. Wo immer in
der Schule der Stoff zum
Lehrstoff wird, geht es um
mehr als nur um Nadel und
Faden . Das Fach will einer–
seits den Geschmack bilden,
die schöpferischen Kräfte des
kindes wecken, sein Farb–
und Formgefühl schulen. Auf
der anderen Seite aber dür–
fen Arbeitstechniken und
handwerkliches Können nicht
zu kurz kommen. Je nach
Schulart und Alter der Kin–
der steht ei{lmal mehr das
Künstlerische, einmal mehr
das Praktische im Vorder-·
grund. Aber immeJ hat der
Unterricht das Ziel, beide
Elemente zu verbinden.
An der Grundschule be–
ginnt Handarbeit, als zwei–
stündiges Pflichtfach für Bu–
ben und Mädchen, spielerisch
und kindgemäß : Beim Basteln
mit Papier und Pappe, Blät–
tern und Knetmasse, Garnen
und Stoffen lernen die Erst–
und Zweitkläßler die Eigen–
schaften verschiedener Ma–
terialien kennen, üben den
richtigen Umgang mit Schere
und Klebstoff, mit Nadeln,
Faden und Farben. Dabei
sind der Phantasie keine
Grenzen
ge~tzt
So entste–
hen zum Beispiel lustige, mit
Watte gefüllte Stoffmänn–
chen, Filzschmetterlinge, Fi–
sche aus Wollfäden.
Je älter die Kinder werden,
desto mehr fragen sie nach
dem Gebrauchswert ihrer Er–
zeugnisse. Bald machen sie
darum auch Gegenstände, die
man im Alltag verwenden
kann, zum Beispiel gestrickte
Handschuhe, Mützen, Ta–
schen. Im Laufe der Jahre
lernen die Schüler die ver–
schiedensten
Handarbeits–
techniken kennen: nicht nur
die klassischen wie Stricken,
Sticken, Häkeln und Nähen,
sondern auch kunstgewerb–
liche wie Knoten, Knüpfen
und Weben, Stoffe färben
und bedrucken. Was Schü–
lerhände auf diesem Gebiet
oft Schönes schaffen - selbst–
entworfene Teppiche, Gürtel,
Wandbehänge, Lampenschir–
me - kann getrost Anspruch
auf die Bezeichnung Textil–
kunst erheben. An vielen
Stellen berührt sich das Fach
Handarbeit mit dem Fach
Kunsterziehung.
Aber auch das gehört zum
Unterricht: zu lernen, wel–
che Eigenschaften Wolle,
Baumwolle oder Seide ha–
ben und wozu man sie ver–
wendet, wie eine elektrische
Nähmaschine zu bedienen
und zu warten ist, wann sich
Zeit- und Materialaufwand
lohnen, ein Kleidungsstück
selber zu nähen, und wann
nicht.
Ehe die "Herstellung eines
modisch aktuellen Kleidungs–
stücks" begir:men kann, wie
es zum Beispiel der LPhrplan
der 7. Hauptschulklasse vor–
schreibt, erfahren die Schü–
ler erst einmal .das Wich–
tigste über Wärme- und Luft–
austausch, über Elastizität,
Paßform und ästhetische Wir–
kung, über Strapazierfähig–
keit, Pflege und Jnstandhai-
BIHe umbläHern
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