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ie an anderer Stelle klaffen-

n Lücken der Schulbuch–

empfehlungen . Die Kommis–

sion stand hier unter einem

Gebot, das eine ernsthafte

wissenschaftlich__e

Orientie–

rung von vornherein unmög–

lich machte: Die Rolle der

Sowjetunion vor und nach

dem Zweiten Weltkrieg durf–

te nicht erwähnt werden.

Die Verhandlungen mußten

streng ., bilateral " verlaufen .

Das bedeutet : Nur über

Deutschland und Polen konn–

te gesprochen werden, ob–

wohl jeder Zeitgenosse w eiß,

daß die Rolle der Sowjet–

union im historischen Ge–

schehen viel entscheidender

war als die Rolle Polens. Das

führt zu blinden Flecken im

Geschichtsbild der Schulbuch–

empfehlungen - wie wenn

man bei der Erklärung eines

Gewitters zwar vom Donner,

nicht aber vom vorhergehen–

den Blitz spricht.

Wer einem Schüler die

deutsch-polnischen Beziehun–

gen erklären will und dabei

die Sowjetunion ausklam-

mert, läßt das Wichtigste un–

gesagt.

War nicht der

deutsch-sowjetische Pakt vom

August 1939, der als Hitler–

Stalin-Pakt in die Geschichte

einging, die alles entschei–

dende Ursache für die ge–

meinsame Zerstückelung Po–

lens durch die beiden Dikta-

Das große Tabu

toren? Und war diese ,.vierte

Teilung Polens", deren östli–

ches Beutestück die UdSSR

bis heute in Händen hält,

nicht der eigentliche Grund

für die Vertreibung der Deut–

schen aus Schlesien, Pom–

mern und Ostpreußen, d . h.

den Ländern jenseits von

Oder und Neiße, mit denen

man Polen im Jahre 1945

für das an Rußland verlorene

· Gebiet entschädigte? Am An–

fang der " Westverschiebung

Polens" (vgl. Karte S. 18) und

damit am Anfang der Vertrei–

bung der ostdeutschen Be–

völkerung steht nun einmal

der .,Freundschaftspakt" zwi–

schen der UdSSR und Hitler.

Die Schulbuchempfehlun–

gen erwähnen diesen Hitler–

Stalin-Pakt und seine fürch–

terlichen Folgen mit keinem

Wort. Die bewußte Trennung

von Ursache und Wirkung,

das Ignorieren und Ver–

schweigen klar gegebener

Zusammenhänge ist aber wis–

senschaftlich unzulässig. Hier

wird das vielleicht wichtigste

Prinzip eines sinnvollen Ge–

schichtsunterrichts

verletzt.

Wenn Schüler nicht Zusam–

menhänge, sondern künstlich

aus der Geschichte isolierte

Einzelheiten lernen sollen

und wenn man ihnen die ei–

gentlichen Ursachen zugun–

sten einer bloß ,, bilateralen "

Schau vorenthält, dann be–

kommt Geschichtsunterricht

Quizcharakter nach dem Mu–

ster ,.drei, drei, drei - bei ls–

sos Keilerei " . Geschichte des

20. Jahrhunderts ist stets

Weltgeschichte. Wer sie als

,,bilateralen " Lückentext an–

bietet, vertritt keine Lehrme–

thode, sondern ein Verwirr–

spiel.

Die gleiche Problematik

kehrt wieder in der Schul–

buchempfehlung Nr. 21 mit

dem Titel ,,territoriale Verän–

derungen " . Auch hier ver–

meidet man sorgfältig jeden

Hinweis auf die sowjetrussi–

sche Beteiligung an eben die–

sen Veränderungen während

und nach dem Zweiten Weit–

krieg.

Immerhin

gingen

170 000 qkm früher polni–

schen Territoriums - ein Ge–

biet von der zweieinhalbfa–

chen Größe Bayerns- in rus–

sischen Besitz über. Nicht

minder groß war die russi–

sche Beute im Baltikum und

in Ostpreußen .

ln verschwommenen For–

mulierungen bemüht man

sich dann , die Anerkennung

der Oder-Neiße-Grenze für

die deutschen Schulbücher

vorweg festzuschreiben, auch

wenn völkerrechtlich diese

Frage nach wie vor offen ist.

Die jetzt polnischer Ver–

waltung unterstehenden Ost–

gebiete sollen laut Schulbuch–

empfehlung nicht mehr zum

deutschen Reichsgebi et zäh-

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