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Fortsetzung

von

Seite 16

zu unterstützen. Es ist nicht

gleichgü lti g, was in Ge–

schichtsbüchern steht. Darum

ist es nur zu begrüßen, wenn

sich Polen und Deutsche an

einen Tisch setzen und ver–

suchen, über ihre gemeinsa–

me Vergangenheit ins Reine

zu kommen. Dennoch hat

Bayern das in 26 Empfehlun–

gen zusammengefaßte Ergeb–

nis dieser Schulbuchkommis–

sion abgelehnt. Warum? Ist

der Freistaat gegen eine Ver–

besserung der deutsch-polni–

schen Beziehungen? Im Ge–

genteil. Auch Bayern ist der

Meinung, daß alles getan

werden muß, was der Völker–

verständigung dient. Und

was könnte dienlicher sein,

als das Offenlegen der

gesch ichtli chen Tatsachen

~

seien es die nationalsoziali–

stischen Greuel oder die an

Deutschen begangenen Grau–

samkeiten nach dem Kri eg.

Aber was bei den Konfe–

renzen der Schulbuchkom–

mission herauskam, ist leider

in entscheidenden Punkten

18

Die .,vierte Teilung Polens•• und ihre Folgen

193 9 .

Der deutsch-russische Freundschaftspakt zer-

schlägt

das

aHe Polen (blaue Fläche). Die Ost–

hälfte samt den Staaten Estland, LeUland und Litauen besetzt

die Sowjetunion (schwarze Pfeile). Den WesHell holt

sJc:h

Nazi-Deutschland.

1945 •

Die UdSSR behältihr BeutestOck und erweHert

es um den nördlichen Teil OslpreuBens. Polen

wird mit den deutschen Ostgebieten abgefunden (blaue

Pfeile).

Die deutsche

mu8 das Land verlassen.

an der historischen Wahrheit

vorbeigeschrieben. Das reicht

von sprach lichen Verschöne–

rungsprozeduren über Tal–

sachenunterdrückung bis hin

zur Umpolung von staats–

und völkerrechtlichen Grund–

sätzen.

Wortkosmetik

Da ist etwa die Empfeh–

lung Nr. 22. Unter dem Titel

" Bevölkerungsverschiebun–

gen " befaßt sie sich mit der

Vertreibung der Deutschen

aus den Gebieten östlich von

Oder und Neiße. Darin heißt

eswörtlich: " Der größte Teil

der in den Oder-Neiße-Ge–

bieten verbliebenen deut–

schen Bevölkerung wurde in

den Jahren 1945 bis · 1947

ausgewiesen bzw. im Rah–

men des interalliierten Trans–

ferabkommens zwangsumge–

siedelt . .. "

Das dem historischen Vor–

gang angemessene Wort

" Vertreibung" wird in die–

sem Text peinlich vermieden.

An prominenter Stelle, näm-

lieh in der Überschrift, spricht

man verharmlosend von

11

Be–

völkerungsverschiebungen".

Alle, die die grausamen Vor–

gänge erlebten, müssen dies

als kosmetische Operation an

der Wirklichkeit empfinden.

Auch die Feststellung, die

Vertreibung sei " im Rahmen

des interalliierten Transferab–

kommens" abgewickelt wor–

den, ist insofern irreführend,

als dieses Abkommen der

Siegermächte keineswegs die

grausame Art der Durchfüh–

rung einschließt - bis hin

zum gewaltsamen Tod unge–

zählter unschuldiger Deut–

scher.

Auch das Wort " zwangs–

umgesiedelt", das die Schul–

buchkommission empfiehlt,

fü hrt in eine falsche Richtung.

Westdeutsche Schüler verbin–

den damit nämlich rechts–

staatliche Vorstellungen. Sie

denken, die damals Betroffe–

nen hätten ein ordentliches

Verfahren bekommen, hätten

die Möglichkeit zur Be–

schwerde und zum Wider–

spruch bei oberen Instanzen

gehabt, hätten anders ,

vollwertigen Ersatz erhalt

seien mit ihrer ganzen per–

sönlichen Habe aus dem alt–

besiedelten Gebiet gezogen–

so wie etwa ein westdeut–

scher Landwirt, dessen Grund

und Boden einem ,Flughafen,

Stausee oder Autobahnbau

zum Opfer fällt. Wer aber

wie die Deutschen aus den

Gebieten östlich von Oder

und Neiße innerhalb weniger

Stunden und unter Gefahr für

Leib und Leben verjagt wur–

de und nur einen Rucksack

persönlicher Habe mitneh–

men durfte, der wurde nicht

in diesem rechtsstaatliehen

Sinne "zwangsumgesiedelt",

sondern schlicht und wahr

aus seine( angestammten Hei–

mat vertrieben . Jede sprach–

liche Beschönigung dieser

Vorgänge beleidigt die Op–

fer, führt die Nachwelt irre,

verhindert, daß sie aus Feh–

lern lernt und schadet darum

letztlich der Verständigung.

Nicht minder bedenklich

als die Sprachkosmetik in

punkto Vertreibung stimmen