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Probleme

und

Kusch oder Courage?

Der Fall:

"Kommen Sie,

schnell!" stürzen aufgeregt

ein paar Buben in das Zim–

mer des Schulleiters, "da

unten schlagen Rocker ei–

nen von uns zusammen!"

Als Schulleiter A. am Tatort

anlangt, ist bereits alles vor–

bei. Thomas, das Opfer aus

der 9. Klasse, rappelt sich

vom Boden auf. Er blutet,

seine Kleidung ist zerrissen.

Nach der ersten Hilfe im

Sanitätsraum erkundigt sich

der Schulleiter:

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Nun er–

zähl mal, was war denn ei–

gentlich los?" "Ich sage

nichts", winkt Thomas ab,

"sonst geht es mir morgen

noch dreckiger." Schulleiter

A.

ist erstaunt. "Waren die

Schläger denn von unserer

Schule?" beginnt er vorsich–

tig noch einmal. "Nein, von

der X-Schule", preßt Tho–

mas heraus, "aber ich sage

keine Namen. ,Wenn du

uns verpfeifst', hat einer

von den Typen gedroht,

,dann machen wir dich erst

richtig fertig."' Mehr ist aus

dem verängstigten Buben

nicht herauszubringen.

Darum bittet Schulleiter

A. am nächsten Tag die El–

tern zu sich. Als er die Rede

auf Polizei und Anzeige

bringt, wehren auch sie er–

schrocken ab. "Nu r das

nicht! Die Rocker schlagen

unseren Thomas sonst tot."

Der Schulleiter ist ratlos.

Darf er selbst Anzeige er–

statten? Gegen den Willen

der Eltern die Polizei ein–

schalten? Und: Soll er über–

haupt etwas unternehmen,

nachdem der ganze über–

fall ja außerhalb des Schul–

bereichs stattfand?

Das Recht:

Was die Schlä–

ger mit Thomas anstellten,

erfüllt den Tatbestand der

vorsätzlichen gefährlichen

Körperverletzung. Eine sol–

che liegt vor, wenn eine

Waffe, z. B. ein Messer,

oder ein anderes gefährli–

ches Werkzeug im Spiel

war, wenn es sich um einen

hinterlistigen überfall han–

delte, wenn (wie bei Tho–

mas) mehrere Täter gemein–

sam handelten oder die

Körperverletzung "mittels

einer das Leben gefährden–

den Behandlung" begangen

wurde.

223 a Absatz 1

des Strafgesetzbuches.) ln

all diesen Fällen ist ein

Strafantrag nicht erforder–

lich; denn die gefährliche

Körperverletzung wird von

Amts wegen verfolgt. Es ge–

nügt hier notfalls ein Te–

lefonanruf bei der Polizei.

Auf Wunsch wird die Mit–

teilung auch vertraulich be–

handelt. Die Anzeige kann

übrigens jedermann erstat–

ten, also nicht nur die un–

mittelbar Betroffenen, son–

dern auch der Schulleiter,

die Lehrer oder Mitschüler.

Anders liegen die Dinge,

wenn es sich um keine ge–

fährliche, sondern sozusa–

gen um eine "einfache"

vorsätzliche Körperverlet–

zung handelt. Wenn Tho–

mas also z. B. nur von ei–

nem einzigen Schläger mit

Fäusten traktiert worden

wäre. Die amtliche Strafver–

folgung setzt in diesen Fäl–

len im allgemeinen einen

regulären Antrag voraus

(§§

223, 232 Strafgesetz–

buch).

Antragsberechtigt

sind aber nur der Verletzte

selbst oder bei Minderjäh–

rigen deren gesetzliche Ver–

treter.

Wer hat recht?

Fälle aus dem Leben

der Schule

Paragraphen

Bei einfacher vorsätzli–

cher Körperverletzung kann

also kein Schulleiter für sei–

nen verprügelten Schüler

Antrag auf Strafverfolgung

stellen. Ebensowenig ein

Firmenchef für seinen Lehr–

ling. Ohne förmlichen An–

trag und von sich aus aktiv

werden Staatsanwalt, Poli–

zei und Gerichte bei der

"einfachen" Körperverlet–

zung allerdings dann, wenn

ein besonderes öffentliches

Interesse an der Strafverfol–

gung besteht. .Ob dies im

Einzelfall zutrifft, kann frei–

lich erst geprüft werden,

wenn der Sachverhalt der

Staatsanwaltschaft bekannt

wird. Dafür genügt eine An–

zeige, die selbstverständlich

auch bei der "einfachen"

vorsätzlichen Körperverlet–

zung jedermann stellen

kann und die auch gerne

vertraulich behandelt wird.

Ganz gleich, ob die Kör–

perverletzung nun "ein–

fach" oder "gefährlich" war,

Schulleiter

A.

könnte jeder–

zeit Anzeige erstatten. Daß

sich der überfall auf Tho–

mas nicht in, sondern vor

der Schule ereignet hat,

spielt hierbei keine Rolle.

Zu bedenken ist allerdings,

daß sowohl der verletzte

Schüler als auch seine Eltern

eine Strafverfolgung aus–

drücklich ablehnen, und

zwar aus Furcht vor weite–

ren Überfällen. Diese Hai-

tung ist zwar menschlich

verständlich, zu billigen

aber ist sie kaum. Sie leistet

nämlich dem Terror Vor–

schub, verstärkt das Klima

der Angst und läuft schließ–

lich auf die Kapitulation vor

der Gewalt hinaus. Sie wi–

derspricht auch dem Erzie–

hungszie l der Schule.

Der Schulleiter sollte sich

daher nicht davon abhalten

lassen, den Vorfall zur An–

zeige zu bringen. Gleichzei–

tig . muß er sich aber um

den Schutz des Schülers vor

neuen Angriffen kümmern:

·Eltern und Kameraden, die

in Thomas' Nähe wohnen,

könnten ihn auf dem Schul–

weg begleiten. Das Polizei–

revier sollte um Sicherungs–

hilfe gebeten werden, ein–

same Strecken sind wenn

möglich zu meiden.

Zusätzlich sollte auf je–

den Fall die Schule, welcher

der Schläger angehört, ver–

ständigt werden. Ist es z. B.

ein Gymnasium oder eine

Realschule, dann kommen

nachhaltige Ordnungsmaß–

nahmen in Frage bis hin

zum vollständigen Aus–

schluß des Schülers vom wei–

teren Schulbesuch. Pflicht–

schulen wie Volksschule

und Berufsschule können

wenigstens den befristeten

Ausschluß vom Unterricht

anordnen. Daß der Schläger

rhalb

der eigenen

le handelte, schützt ihn

nicht; denn auch außer–

schulisches Verhalten kann

mit Ordnungsmaßnahmen

der Schule bedacht werden,

soweit die Verwirklichung

der Aufgabe der Schule ge–

fährdet ist

38 Abs. 1

Satz 3 der Allgemeinen

Schulordnung) . Dies ist hier

zu bejahen, da es sich ganz

offensichtlich nicht um eine

harmlose Rauferei handelte,

sondern um einen vorsätz–

lichen brutalen Überfall mit

der Gefahr der Wiederho–

lung. Darüber hinaus sollte

die Schule in jedem Fall

das Jugendamt verständi–

gen. Dieses kann nämlich

noch weitere geeignete

Maßnahmen gegen Schläger

treffen.

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