Fortsetzung
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und Sport, Vergleichskämpfe
mit der Schuljugend des be–
nachbarten Ortes. Besonders
beliebt ist auch Technisches
Werken. Ein Wasserrad bauen
und am nahen Bach aufstel–
len und klappern lassen:
Ohne Zeitzwang erkunden,
bauen, experimentieren, ver–
gleichen, beurteilen, verbes–
sern die Schüler ihr Werk,
lösen halb im Spiel die ge–
stellte technisch-konstruktive
Aufgabe.
Eine Idee
mit Tradition
Daß das Schullandheim ei–
ne gute Sache ist, ist keine
neue Entdeckung. Schon die
ersten Häuser dieser Art- sie
entstanden um die Jahrhun–
dertwende - waren gedacht
als Zufluchtsort vor dem rei–
nen Lernbetrieb der Alltags–
schule in der Großstadt. Die
deutsche Jugendbewegung
und neue Erziehungsideen
gaben den Anstoß. Junge na–
turverbundene Lehrer trugen
diese Gedanken in die Schu–
le. Seither geht sie aufs Land.
Die ersten Heime waren noch
spartanisch eingerichtet, be–
standen meist nur aus einem
Schlafsaal mit Strohsäcken
am Boden und einfachsten
Waschgelegenheiten .
Aber
dabei blieb es nicht. Die be–
geisterten "Schullandheimer"
warben für ihr Anliegen, fan–
den Geldgeber, verwirklichten
manchmal sogar ganz ausge–
fallene Ideen. So zum Beispiel
baute der Lehrer Hans Sax in
den dreißiger Jahren ein aus–
gedientes Lazarettschiff zu ei–
nem schwimmenden Schul–
landheim aus.
Heute gibt es in Deutsch–
land 360 Heime. Rechnet
man auch die Jugendherber–
gen dazu, die mit Unter–
richtsräumen und Außenge–
lände für einen Schulland–
heimaufenthalt gerüstet sind,
dann sind es mehr als dop–
pelt so viele. Allein 80 stehen
in Bayern : abseits vom Trubel
der Städte, umgeben von
reizvoller Landschaft und vie–
·len lohnenden Zielen für ei–
nen lebensnahen Unterricht.
Mehr als ein Drittel der Häu–
ser, die für einen Schulland–
heimaufenthalt in Frage kom–
men, stehen im Alpenvorland.
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Der Unterricht ist nicht die Hauptsache. Die Tage im Schullandheim sind Ta
Aber auch viele andere schö–
ne Gegenden Bayerns sind
vertreten : der Jura, das Alt–
mühltal, der Bayerische Wald,
das Fichtelgebirge, Donautal,
Dreiburgenland, der Steiger–
wald, Odenwald und die
Bayerische Rhön.
Die meisten dieser Heime
und Herbergen betreibt ein
eigener, gemeinnütziger Ver"
ein, da.s Schullandheimwerk,
oder das Jugendherbergs–
werk. Ihre Sorge ist es, das
Geld für die hohen Unkosten
aufzubringen, zum Beispiel
durch Spendenaktionen. Nie–
mand, der ein Herz für Kin–
der hat, sollte die kleinen
Sammler des Schullandheim–
werks abweisen, wenn sie
vom 17. bis 24. April 1978
mit ihren Listen an die Haus–
türen kommen . Wer einen
größeren Betrag spenden
will , dem verrät S
&
W hier
die richtige Kontonummer:
Landesverband der bayeri–
schen Schullandheime. Konto–
Nr. 217 950 der Städtischen
Sparkasse Regensburg.
Auch Städte und Gemein–
den wie Würzburg, Augs–
burg, München, Burghausen,
Schweinfurt, Rappershausen,
Memmingen und Lindenberg
im Allgäu fördern die Schul–
landheime. Dazu kommen
Elternvereinigungen , ehema–
lige Schüler, das Kloster Be–
nediktbeuern, die Diözese
Augsburg, der Kreisjugend–
ring und die Arbeiterwohl–
fahrt. Vater Staat schließt sich
da nicht aus. Er gibt Zuschüs–
se für den Neubau, den Um–
bau und die Modernisierung
von Schullandheimen.
Am Geld soll's
nicht scheitern
Die Buben und Mädchen
der Klasse 9a der Volksschule
Neustadt an der Donau be–
zahlten für Kost und Logie
im Schullandheim Eschenbach
pro Tag und Nase 11 ,90 DM.
Natürlich ist das nur ein Teil
der tatsächlich entstehenden
Unkosten. Darum schießt das
Schullandheimwerk
Ober–
pfalz-Niederbayern pro Schü–
ler und Tag noch 6 Mark zu.
Trotzdem sind die Wochen
im Schullandheim für man–
che Eltern eine Belastung.
14 Tage schlagen - wenn
man Fahrt und etwas Ta–
schengeld hinzurechnet- mit
gut 200 Mark zu Buche. Da–
mit kein Schüler zurückblei-
ben muß, tut der Lehrer gut
daran, die Eitern rechtzeitig
über seine Pläne zu informie–
ren und außerdem zu versu–
chen , beim Elternbeirat, bei
Gönnern und Freunden des
Schullandheims Geld locker–
zumachen.
Die Vorbereitungen für die
Expedition ins Schullandheim
erstrecken sich aber nicht nur
auf die Fragen der Finanzie–
rung. Die Eitern müssen früh–
zeitig erfahren, welchen Sinn
und Zweck der Lehrer mit
seinem Vorhaben verfolgt.
Sie sollen wissen, welche
Kleidung und Wäsche, wie–
viel Taschengeld und was
sonst noch alles die Kinder
mitnehmen oder besser zu
Hause lassen sollen. Briefe
ins Schullandheim sind er–
wünscht, aber Päckchen und
Pakete problematisch: Die
Brieftasche des Vaters soll
hier keine Unterschiede auf–
kommen lassen. Das könnte
ein wichtiges Ziel der Fahrt
stören: das Erlebnis der Ge–
meinsamkeit und der Ge–
meinschaft.
" So kurz vor Weihnachten
und in der kalten Jahreszeit
wollte ich mit meiner Klasse
eigentlich nicht ins Schulland–
heim fahren ", meinte rück–
blickend Lehrer Herrmann,
als sich S
&
W im Januar nach
dem Ausgang der Expedition
erkundigte, "aber die Som–
mermonate waren schon aus–
gebucht. Trotzdem war unser
Unternehmen ein voller Er–
folg. Das Arbeitsklima ist seit–
her verändert; es ist besser
geworden. Und das Mehr an
gegenseitigem Vertrauen hilft
mir jetzt nach der Rückkehr
beim Unterricht. "
Nicht alle Lehrer sind scharf
darauf, sich in das Abenteuer
"Schullandheim " zu stürzen.
Manchen scheint die Sache
riskant. Wenn ·sie daran den–
ken, was alles passieren kann,
falls nur ein einziger unbe–
herrschter Schüler über die
Stränge schlägt, verlieren sie
den Mut. Ihnen verrät Lehrer
Axel Klemm aus Starnberg,
der bereits mit sechs Klassen
im Schullandheim war, sein
Geheimnis: "Ich habe die Er–
fahrung gemacht, daß sich
gerade die Problemschüler
und die notorischen Stören–
friede im Schullandheim oft
erstaunlich wandeln, sich in
die Gemeinschaft einfügen
und nach der Rückkehr prima
mitarbeiten ."
e
Rheinländer, Boarischer und Polka,
der S & W-Fotograf knipste den
abendlichen Volkstanz-Kurs im
Schullandheim.