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omputer stehen hoch im

Kurs. Ohne das Innen–

leben zu durchschauen,

bedienen wir uns ihrer

Künste : Computer dosieren

die Treibstoffmenge für den

Motor im Kraftwagen, steu–

ern automatisch den Kurs des

Jumbo-Jets und schreiben

Banküberweisungen .

Im Zeitalter des Raumflugs

mauserten sich die mechani–

schen Rechen-Ungetüme von

gestern zu immer leichteren,

handlicheren und billigeren

Computern, schiankten ab

zum

Brieftaschenformat

Schwierigste Aufgaben lösen

sie lautlos, in Bruchteilen von

Sekunden. Man tippt die

Zahlen ein, drückt die Ergeb–

nistaste und schon leuchtet

die Lösung auf.

Taschenrechner sind groß

in Mode. Längst trägt man in

den Chefetagen Elektronik

am Handgelenk: Digitaluhren

mit Minicomputern, futuri–

stisch " gestylt" in Astronau–

tenlook. Einfachere Sterbliche

verzichten ;1uf Modegags und

schätzen den Rechenknecht

wegen seiner todsicheren Re–

chenkunst. Ihretwegen ist er

in vielen Berufen schon un–

entbehrlich geworden. Nur

für Schüler blieb der Taschen–

rechner so gut wie tabu. Das

gab Anlaß zu Ärger: Wenn

der Vater schon seine Hei-

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zungskosten mit Computer–

Hilfe ermittelt, mag auch der

Sohn bei kniffligen Mathe–

matik-Aufgaben nicht länger

den Kopf strapazieren.

Bislang zögerten Pädago–

gen, die " schnellen Brüder"

für den Unterricht zuzulas–

sen. Natürlich müssen Kinder

zuerst das Rechnen selbst ler–

nen. Drittkläßlern zum Bei–

spiel wäre so eine Denk-Pro–

these gewiß willkommen,

· nicht minder aber auch

schädlich: Für alle Zukunft

würde ihnen der Zugang zum

Einmaleins verbaut. Wer das

beherrschen will, muß seine

eigenen Gehirnzellen bemü–

hen .

Taschenrechner in der

Schule? Das Ja kommt zö–

gernd, kann nicht uneinge–

schränkt sein. Mancher Al–

tersstufe würde sie einen Bä–

rendienst leisten. Das Münch–

ner Institut für Schulpädago–

gik hat in einer Untersuchung

herausgefunden, mit wel–

chem Alter und in welchen

Fächern und Schularten sich

Kinder von den zeitrauben–

den Routine-Rechnungen be–

freien können, ohne dadurch

selbst schlechtere Rechner zu

werden. 18 Klassen, von ei–

ner Hauptschule in München

über die Realschule in Haß–

furt bis zum Gymnasium

Zwiesel, wurden versuchswei-

se mit Taschencomputern

ausgerüstet. Flächen- und

Raumberechnungen, das Lö–

sen von Proportionen und

quadratischen Gleichungen,

das Ermitteln von Logarith–

men und trigonometrischen

Funktionen und vieles mehr

lief wochenlang bei ihnen

vollelektronisch ab. Ein Lei–

stungsvergleich mit Schülern

aus 15 Kontrollklassen, die

ihr Pensum im " Dampfver–

fahren" ohne Computer er–

arbeiten mußten, brachte den

Beweis :

e

Mit dem Taschenrechner

macht Mathematik mehr

Spaß. Die Schüler arbeiten

im Unterricht besser mit.

e

Der Mini-Computer ent–

lastet von mechanischen Re–

chentätigkeiten. Damit bleibt

mehr Zeit fürs üben und ma–

thematische Denken.

e

Wer Rechnen als Dreikäse–

hoch richtig gelernt hat, be–

hält diese Fertigkeit trotz

Elektronenhelfer; besonders

wenn das Kopfrechnen und

das überschlägige Rechnen

weiter trainiert werden.

e

Der Taschen-Computer ist

in jüngster Zeit für alle Eitern

erschwinglich geworden, zu–

mal wenn sie dadurch vom

Kauf des auch nicht gerade

billigen Rechenschiebers ent–

lastet werden.

e

Jeder Schüler braucht sei-

nen eigenen Rechner. Am be–

sten ist es, wenn in einer

Schulklasse alle den gleichen

Typ, zumindest aber ein Ge–

rät mit der gleichen Minimal–

ausstattung besitzen. Eine

Sammelbestellung über den

Mathematiklehrer verhindert

Fehlkäufe.

Dieser Untersuchungsbe–

richt wurde zur Grundlage

für eine Entscheidung

d~~

·

bayerischen

Kultusminist,

riums: Ab Schuljahrsbeginn

1978/79 sind an den Schulen

des Freistaats Bayern elek–

tronische Rechner im Unter–

richt und bei Prüfungen zu–

gelassen ; in den Haupt-, Son–

der- und Wirtschaftsschulen

ab "Klasse 8, in Realschulen

und Gymnasien ab Klasse 9.

Der Rechner-Erlaß löste Ju–

bel aus. Wer addiert und

multipliziert sich schon gern

den Kopf heiß, wenn er ihn

dank Rechenknecht auch bei

langen Zahlenkolonnen ganz

kühl halten kann? Aber schon

mischen sich Zweifel in die

Begeisterung: Wie lange wird

es dauern, bis Reform-Wüte–

riche und Anti-Schulstreß–

Apostel von den guten alten

Zeiten zu träumen beginnen,

als man sich noch mit Rou–

tine-Rechnungen zwischen–

durch von den Strapazen des

mathematischen Denkens er–

holen konnte?