Probleme und
Nurein
Viertelstündchen
Der Fall:
Gabi und Dorle
sind Frühaufsteher, weil
die Eltern zur Arbeit müs–
sen. Schon kurz nach sie–
ben stehen die beiden
Mädchen vor der Schule.
Im Sommer finden sie ein
frühes Plauderstündchen
ganz schön. Aber im Win–
ter, bei Dunkelheit und
Kälte, wünschen sie sich
lieber ein warmes Warte–
zimmer. Darum schleichen
sie sich ins Schulhaus.
" Ihr wißt genau, daß ihr
erst eine Viertelstunde vor
Unterrichtsbeginn in das
Schulhaus dürft und keine
Minute früher!" Mit die–
sen Worten setzt der ge–
wissenhafte Hausmeister
die beiden schnell wieder
an die frische Luft. Die
Eltern beschweren sich
vergebens. "Die Schule
kann das Elternhaus nicht
ersetzen", sagt der Schu I–
leiter. "Wir sind erst ab
drei Viertel acht für die
Schüler
verantwortlich.
Wenn wir sie früher ein–
lassen und es passiert et–
was, sind wir dran ." Müs–
sen Gabi und Dorle tat–
sächlich vor der Tür blei–
ben?
Das Recht:
Leider ja. Sie
sollten lieber zu Hause
warten, denn die Auf–
sichtspflicht der Schule gilt
grundsätzlich nur für die
Zeit, in der die Schüler am
Unterricht
teilnehmen .
Dazu zählt auch eine an-
gemessene Zeit vor- und
nachher. Als angemessen
gelten 15 Minuten. ln be–
sonderen Fällen geht al–
lerdings nach
§
91 Ab–
satz 3 der Allgemeinen
Schulordnung die Auf–
sichtspflicht darüber hin–
aus: Die Schule hat auch
während sonstiger Zeiten,
in denen Schüler sich be–
rechtigterweise im Schul–
gebäude aufhalten, für
Aufsicht zu sorgen. Z. B.
wenn Schüler wegen un–
günstiger Verkehrsverbin–
dungen regelmäßig lange
vor Unterrichtsbeginn am
Schulhaus eintreffen oder
nach dem Unterricht auf
die nächste Verkehrsver–
bindung nach Hause war–
ten. Die Schule muß ih–
nen dazu einen Aufent–
haltsraum
bereitstellen
und für eine geeignete
Wer hat recht?
Fälle aus dem Leben
der Schule
Beaufsichtigung sorgen:
rch Lehrer, Hausme ister
oder ältere Schüler. Das
gleiche gilt für die Warte–
zeit zwischen Vor- und
Nachmittagsunterricht. Bei
Volksschulen hat die Ge–
meinde oder der Schulver–
band für die Aufsicht wäh–
rend der Wartezeiten zu
sorgen, die durch de n
Schülertransport entste–
hen. Verzögert sich die
Heimfahrt der Schüler
oder ergeben sich andere
Wartezeiten, die nichts
mit dem Fahrplan der
Schulbusse zu tun haben,
so hat die Schulleitung die
Aufsicht zu regeln.
Eine Sechs
zuviel
Der Fall:
Hochspannung
in der 10b. Heute kommt
Mathe raus - die letzte
Schulaufgabe vor dem
Zeugnis.
"Ein
Zweier
müßte drin sein", denkt
Christa; sie war immer ei–
ne gute Mathematikerin
und hat ein sicheres Ge–
fühl.
Ihrem
"Neben–
Mann" Waltraud ist mul–
mig zumute. Eine schlech–
tere Note als vier - dann
müßte sie die Klasse wie–
derholen.
Die Arbeiten werden
verteilt Aber die von
Christa und Waltraud sind
nicht dabei. Der Leh rer
will sie statt dessen am
Ende der Stunde
allein
sprechen.
"Ich muß euch
beiden die Note
sechs geben, weil
ihr voneinander
abgeschrieben
habt", eröffnet er
ihnen. "Dasselbe
falsche Ergebnis -
da gibt's für mich gar kei–
nen Zweifel. "
Waltraud jammert: " Ich
habe nicht gespickt. " Chri–
sta ·protestiert: "Ich auch
nicht. Und abschreiben ha–
be ich auch nicht lassen.
Sie können uns gar nichts
nachweisen!" Aber der
Lehrer bleibt hart. "Ich
muß euch nicht nachwei-
sen, wer von wem abge–
schrieben hat. Es genügt
mir, daß offensichtlich ge–
mogelt wurde."
Sind Christa und Wal–
traud damit korrekt be–
dient oder nicht?
Das Recht: ·
Die Note
sechs erhält nur, wer zu
seinem eigenen Vorteil
fremde Hilfsmittel - zum
Beispiel
die
besseren
Kenntnisse seines Nach–
barn - benützt. Kann nicht
nachgewiesen
werden,
wer abgeschrieben und
wer geholfen hat, muß
der Lehrer beide Arbeiten
so bewerten, als wäre
nicht gemogelt worden.
Die Arbeiten von Chri–
sta und Waltraud zeigen
eindeutig, daß Waltraud
abgeschrieben hat. Bei
Christa stimmen nämlich
Ansatz und Rechenweg,
lediglich ein Leichtsinns–
fehler am Schluß führte
zum falschen Ergebnis.
Waltrauds Rechenweg hät–
te aber zu einem ganz
anderen Resultat führen
müssen: Ohne mathema–
tischen
Zusammenhang
prangt auf ihrem Blatt das
gleiche falsche Ergebnis
wie bei Christa. Der
Unterschleif ist also ein–
deutig. An ihrem Sechser
führt kein Weg .vorbei.
Christa dagegen hat ihre
Sechs zu Unrecht. Weil sie
· das Abschreiben ermög–
lichte, könnte gegen sie
allenfalls ein Verweis oder
eine andere Ordnungs–
maßnahme verhängt wer–
den.
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