Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel - page 82

82
Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel
A: Ja, also ich hab’ schon das Gefühl, dass vor allem die, die sich sowieso dafür interessieren
oder die sowieso früher in der Linksjugend waren oder damit sympathisieren, schon von allein
aus, bei denen kommt es an. Aber – also ich weiß nicht, ob die … Ich glaub’, dass es jetzt nicht
bei so vielen Leuten ankommt.“ (w)
Ein Jugendlicher berichtet über seine Arbeit in einer Antifa-Gruppe und die Berichterstattung dar-
über. Zum einen wird das Engagement auch in den Medien anerkannt, dies vor allen Dingen auf loka-
ler Ebene. Er konstatiert, dass dagegen in den „großen Medien“ eine Reduktion auf den Gewaltas-
pekt stattfindet und „linkes“ Engagement gleichgesetzt wird mit dem der „Rechten“. Die Öffentlich-
keit differenziert nicht zwischen einzelnen Engagierten sondern pauschalisiert bezüglich der Frage
nach Gewalt als Mittel des Engagements und Protests.
„I: Hast du den Eindruck, dass das
,
was ihr macht
,
von der Öffentlichkeit wahr- und ernstge-
nommen wird?
A: Also in unserer Lokalzeitung sind doch schon immer mal wieder erstaunlicherweise recht gu-
te und sachliche Artikel. Zum Beispiel, als wir im letzten Jahr mal ein Benefiz für einen Jugend-
klub gemacht haben, der von Nazis abgefackelt wurde. Und auch wenn wir Leserbriefe posten,
werden die nicht gleich rauszensiert und erscheinen manchmal sogar in der gedruckten Zei-
tung. Aber die großen Medien berichten immer nur Scheiße über uns. Rechts gleich links und
Gewalt Gewalt Gewalt. Vor allem, wenn der Verfassungsschutz mal wieder was zu verkünden
hat. Ekelhaft.“ (m)
Andere Jugendliche konstatieren, dass man in und von der Öffentlichkeit erst dann wahrgenommen
wird, wenn die legalen Grenzen des Mitteleinsatzes überschritten werden. Sonst erhält man keine
Aufmerksamkeit. Diese Wahrnehmung der befragten Jugendlichen hat eine besondere Relevanz be-
züglich der Frage nach der Rolle von Gewalt(handeln) als Mittel des Engagements und Protests (siehe
dazu Kapitel 5.5.1.1).
„I: Wie stehst du zu militanten Aktionen?
Ich hege gewisse Sympathien. Zugegeben, manche erscheinen sinnlos, aber mit einigen wird
zumindest Aufmerksamkeit auf bestimmte Problematiken gelenkt, die sonst unter den Teppich
gekehrt werden würden. Aber wie ich schon sagte: gegen Sachen.“ (w)
5.3 Auf der Suche nach Zuordnung - Gesellschaftliches bzw. politisches En-
gagement und Protest in Szenen
Entsprechend der individualisierten und pluralisierten Gesellschaft und ihren Bedingungen verändern
sich auch die Gemeinschaftsformen. Für die Jugend ist in diesem Zusammenhang die „Szene“ zu
nennen. Hitzler und Niederbacher (vgl. 2010) haben sich mit Jugendlichen in Szenen beschäftigt.
Ihnen zufolge sind gerade unter Individualisierungsbedingungen Szenen auch als Sozialisationsinstan-
zen zu begreifen (vgl. Hitzler/Niederbacher 2010, 26).
Unter einer Szene verstehen Hitzler und Niederbacher (2010, 15f.): „Eine Form von lockerem Netz-
werk; einem Netzwerk, in dem sich unbestimmt viele beteiligte Personen und Personengruppen ver-
gemeinschaften. In eine Szene wird man nicht hineingeboren oder hineinsozialisiert, sondern man
1...,72,73,74,75,76,77,78,79,80,81 83,84,85,86,87,88,89,90,91,92,...126
Powered by FlippingBook