Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel - page 89

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Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel
spruch im Raum, sich theoretisch zu bilden. Im vorliegenden Interviewausschnitt versucht man sich
gegenseitig zu motivieren, indem man sich vornimmt eine „Theorielesegruppe“ zu gründen. Trotz-
dem werden immer wieder Entschuldigungen gefunden nicht damit zu beginnen.
„A: Ich lese viel, Bücher von Autonomen, Texte im Internet, in einschlägigen autonomen Foren,
auch Interim usw., aber ich werde da immer schnell ungeduldig. Ich bin eher einer, der was tun
will. Klar braucht man Wissen, schon um argumentieren zu können. Aber die rein theoretischen
Bücher sind nichts für mich. Klar, Rosa Luxemburg, Ché Guevara usw., das hat man schon gele-
sen, auch Geronimo und so. Wir wollen schon seit Monaten eine Theorielesegruppe machen,
weil’s vielleicht gemeinsam mehr Spaß macht und man dann ja auch über schwierigere Text-
stellen gleich reden kann, aber irgendwie fangen wir nicht damit an.“ (m)
Im folgenden Teilkapitel wird nun die Ausgestaltung des Engagements und Protests der Befragten
näher erörtert.
5.5 Die Wahl der Mittel - Grenzen von gesellschaftlichem bzw. politischem
Engagement und Protest
Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement und Protest können unterschiedlich gestaltet wer-
den. Was gehört dazu? Welche Mittel werden als legitim betrachtet? Welche nicht? Wo liegen für die
Befragten die Grenzen bei sich selbst bzw. bei anderen? Werden die legalen Grenzen des Mittelein-
satzes überschritten spielt auch das Thema Gewalt eine Rolle. Diese Fragen werden im folgenden
Abschnitt erörtert.
Die Mittel werden entsprechend der von den Befragten bereits in Kapitel 5.2.2 beschriebenen Ziele
gewählt. Wesentlich ist die Erlangung von Aufmerksamkeit für seine Anliegen bzw. die Wahrneh-
mung durch die Öffentlichkeit.
Die individuellen Grenzen von gesellschaftlichem bzw. politischem Engagement und Protest sind
verschieden.
Es ist sehr unterschiedlich, wo die (eigenen) „Grenzen“ gesehen werden. Es gibt Ju-
gendliche für die müssen gesellschaftliches bzw. politisches Engagement und Protest friedlich sein:
„A: Also ich find’ generell, dass Protest friedlich sein muss, weil wenn sich jemand bei mir be-
schwert, dann will ich, dass er das friedlich macht, sonst nehm’ ich ihn nicht wirklich ernst. Ich
find’s halt lächerlich, wenn man da hingeht und irgendwelche Sachen zerstört aus Protest, denn
das bringt einfach nichts. Und wenn jemand einfach so aggressiv ist, dass er seine Meinung so
ausdrücken muss, dann find’ ich den halt, ja, dann kann ich mit dem nichts anfangen. Also Pro-
test in Form von Demonstrationen find ich zum Beispiel voll in Ordnung, solang’s halt eben wie
gesagt friedlich zugeht.“ (m)
Die folgende Interviewpassage zeigt, wie friedliches Engagement und Protest aussehen können. Eine
Jugendliche berichtet von ihrem gesellschaftlichem bzw. politischem Engagement und Protest im
Rahmen einer Demonstration gegen die „NPD“.
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