Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel - page 95

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Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel
„A: Von solchen Demos, die schon die Tendenz zum Ausarten haben, da halt’ ich mich auch
fern. Ich befürworte das einfach nicht. Wenn jemand es befürwortet, okay. Ich diskutier’ mit
solchen Leuten dann auch da drüber: Wieso bist du da dafür? Wäre es nicht sinnvoller, das ge-
waltfrei zu machen? Aber … Und ich geh’ auch nicht auf solche Demos, wenn ich schon vorher
weiß, da sind Leute, die ich vielleicht kenn’ und die da irgendwie Blödsinn machen wollen. Dann
sag’ ich gleich, okay, das lass’ ich. Das könnt ihr vergessen. Weil ich bin jemand, ich lehn’ das
total ab.“ (m)
Auch ein weiterer Jugendlicher beschreibt ein vorhandenes Gewaltpotential auf Demonstrationen
und sieht die einzige Möglichkeit der Abgrenzung in der Nichtteilnahme.
„I: Was sind das für „Momente, wo man Gewalt anwenden muss“? Hast du ein Beispiel dafür?
A: Zum Beispiel auf Demos. Wenn es eskaliert, kommt es einfach zu Gewalt, von beiden Seiten.
Dann kann man sich manchmal nicht die Frage stellen, ob man keine Gewalt anwendet. Wenn
man nicht Gewalt anwenden will, dann geht man auch nicht hin. Da ist ein Gewaltpotential da,
irgendwie ist das klar. Wenn ich nicht in die Gefahr kommen will, Gewalt auszuüben, dann geh‘
ich zu bestimmten Demos gar nicht erst hin.“ (m)
Andere gehen zwar auf Demonstrationen, halten sich aber eher am Rand auf.
5.5.2 Erklärungsversuche für Gewalt(handeln) im Rahmen von gesellschaftlichem bzw.
politischem Engagement und Protest
Wie kommt es im Kontext von gesellschaftlichem bzw. politischem Engagement und Protest zu Ge-
walthandeln? Welche Faktoren spielen dabei eine Rolle? Welche Motivation(en) und Gründe stecken
dahinter? Im folgenden Abschnitt werden Erklärungsversuche unternommen. Dabei wird kein An-
spruch auf Vollständigkeit erhoben.
Es gibt unterschiedliche Faktoren, die zur Erklärung von Gewalt(handeln) als Mittel im Rahmen des
gesellschaftlichen bzw. politischen Engagements und Protests eine Rolle spielen können. Mit einem
Blick auf die empirischen Ergebnisse werden sie im folgenden Abschnitt zusammengetragen. Dabei
überschneiden sich bestimmte Faktoren, sie werden jedoch hier separat vorgestellt um spezifische
Aspekte hervorzuheben.
1.
Frustration und Wut gekoppelt mit dem Gefühl von Ohnmacht können zu Gewalt(handeln)
führen.
Für die Wahl von Gewalt (handeln) als Mittel des Engagements und Protests spielt die emotionale
Komponente eine entscheidende Rolle. Wie schon in Kapitel 5.1.4.2 beschrieben, führen gesellschaft-
liche und politische Entwicklungen und deren Auswirkungen auf die Menschen zu Frustration und
Wut und bei den Betroffenen. Diese Wut ist gekoppelt mit dem Gefühl, der Entwicklung in gewissem
Sinne ausgeliefert zu sein bzw. sie nicht beeinflussen zu können. Entscheidungen werden von ande-
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