Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel - page 84

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Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel
„A: Über einen Kumpel habe ich damals einige Leute und Läden der linken Szene kennen gelernt
und bin ins Gespräch mit verschiedenen Menschen gekommen, und dann hat sich ein Interesse
entwickelt. Politisch interessiert war ich ja schon, aber was mich davor immer abgeschreckt
hat, waren die Organisationen. Dass man irgendwo erst Mitglied werden musste, um was zu
sagen zu haben. Und dann gab’s da immer Vorstände und Kassenprüfer und Satzungen und
dieses ganze Zeugs.“ (m)
5.3.1 Die Konstruktion von Zugehörigkeit(en)
Die befragten Jugendlichen, die sich engagieren, sind auf der Suche nach Zugehörigkeit(en). Sie kon-
struieren Zugehörigkeit(en) über linke Szenen; Gruppen innerhalb der Szenen und Orte bzw. Treff-
punkte.
Dabei suchen sie nicht nach Unterordnung
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, sondern nach Zuordnung. In diesem Kontext wird das
Bedürfnis der Befragten nach Autonomie und Selbstbestimmung (siehe Exkurs in Kapitel 5.1.1) deut-
lich sichtbar.
Zugehörigkeit(en) sind eher lose, Szene-“grenzen“ sind fluide.
Die befragten Jugendlichen bewegen
sich in unterschiedlichen Zusammenhängen, in unterschiedlichen Szenen und Gruppen innerhalb
dieser Szenen. Einige fühlen sich einer Szene zugehörig, andere mehreren Szenen gleichzeitig, eine
dritte Gruppe der Befragten ordnet sich keiner Szene direkt zu.
Man engagiert sich seinen Interessen entsprechend in unterschiedlichen Kontexten. Für Jugendliche
hält dies die Option des Ausprobierens bereit nach dem Motto: „Ich kann mich mal hier und mal dort
engagieren. Und wenn es mir dann zusagt, dann bleib ich vielleicht dabei. Vielleicht aber auch nicht“.
Auch Hitzler und Niederbacher (2010, 31) formulieren dieses Phänomen: „(…) Szenelandschaften
[erweisen] sich gleichsam als Spielplätze und Baukästen für Existenzbastler, die ihren Lebensvollzug
symptomatischerweise als eine Abfolge von Engagement-Sequenzen in unterschiedlichen sozialen
Zusammenhängen organisieren.“
Das Engagement der Einzelnen ist unterschiedlich lang und intensiv. Dies spiegelt sich auch in der
Struktur von Szenen wieder. Hier sei noch einmal auf Hitzler und Niederbacher (vgl. 2010, 22ff.) ver-
wiesen. Die Autoren konstatieren, dass „Szenen sich um Organisationseliten“ (Hitzler/Niederbacher
2010,22) strukturieren. Diese bestehen in der Regel aus jahrelangen Szenegängern. Die folgende
Abbildung soll zeigen, dass das Engagement vom inneren Kreis (Organisationselite) über den mittle-
ren Kreis (Freunde) hin zum äußeren Kreis (Szenegänger) abnimmt.
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Dies ist bspw. ein elementarer Unterschied zu Jugendlichen, die sich in rechten Szenen bewegen. Die Konstruktion von Zugehörigkeit
erfolgt in rechten Szenen eher durch Unterordnung.
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