Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel - page 76

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Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel
Ganzheitliches Engagement kann Jugendlichen unter Bedingungen einer pluralisierten und individua-
lisierten Gesellschaft Orientierungshilfen zur Lebensbewältigung bieten. Es erfolgt nicht isoliert, son-
dern lebensbereichsübergreifend. Dabei erhält man Deutungsangebote, es werden Werte und Nor-
men vermittelt und dementsprechend erhält man auch einen Rahmen für das eigene Verhalten.
5.2.2 Ziele des eigenen gesellschaftlichen bzw. politischen Engagements und Protests
Man möchte aufklären und präventiv tätig sein.
Mit seinem Engagement möchte man Aufklären
und zu einem politischen Bewusstsein bei anderen beitragen. Gleichzeitig geht es, wie das folgende
Beispiel des Engagements gegen Rechtsextremismus zeigt, um Prävention.
„A: Na ja, eben in den Schulen schon auch den jüngeren Schülerinnen hier bei uns jetzt eben
dieses politische Bewusstsein zu geben, ja, und einfach auch zu warnen vor immer noch akti-
ven, ja, NPDlern, sag’ ich also … Das find’ ich sehr wichtig, und das gefällt mir daran eben.“ (w)
Man möchte Wissen vermitteln.
Es gibt Jugendliche, die suchen die Diskussion bzw. Auseinanderset-
zung mit anderen, nicht nur um Aufzuklären, sondern auch, um einfach Wissen zu vermitteln. Im
folgenden Zitat hat der Befragte den Anspruch, dass sich die Menschen eine eigene Meinung bilden.
In seinen Augen ist dafür nicht das eigene politische Engagement entscheidend, sondern vielmehr
sieht er die Notwendigkeit darin, mit den Menschen einzeln zu sprechen. Dies macht er in seinem
Alltag.
Den Befragten geht es auch darum, für sich selbst, das eigene Tun und bezogen auf die gesellschaftli-
chen Bedingungen und Entwicklungen Verantwortung zu übernehmen. Eigenverantwortung und
gesellschaftliche Verantwortung brauchen als Grundlage zunächst Wissen über das politische System
bspw., um die Hintergründe für bestehende Ungerechtigkeiten zu verstehen, um sich eine eigene
Meinung bilden und um dann Position beziehen zu können. Dabei verfolgen die Befragten die Wis-
sensvermittlung mehr oder weniger missionarisch.
„A: Ich bin jemand: Ich versuche, mit Leuten meines Alters, also meines Jahrgangs damals, bis
vor ein paar Monaten halt – ich hab’ sehr oft versucht einfach, mit diesen Leuten drüber zu re-
den, vor allem mit Leuten, die halt jetzt nicht unbedingt so Ahnung von der Politik haben. Weil
ich – es schockiert mich teilweise einfach. Beispiel: Ich war jemand, ich hab’ Sozialkunde zwei-
stündig gewählt, und die Hälfte, was heißt die Hälfte: achtzig Prozent unseres Kurses haben es
nicht zustande bekommen, fünf Minister unseres Kabinetts zu nennen. Das klingt jetzt nach
plakativem BILD-Niveau oder sonst was, aber wenn so was tatsächlich real ist, dann fühl’ ich
mich auch irgendwo, ja, dazu gedrängt, das Ganze irgendwo aufzuklären. Weil in meinen Au-
gen: Es muss nicht jeder Politiker sein, es muss nicht jeder Ahnung von allem haben, das ist ja
Blödsinn. Das kann man gar nicht. Aber es ist in meinen Augen notwendig, dass man ein gewis-
ses Grundwissen, eine gewisse Grundbildung hat, damit man einfach eine Meinung hat. Ich
kenn’ unglaublich viele Leute, die wählen, weil ihre Eltern wählen. Und eben genau das. Und
das kann so nicht funktionieren in meinen Augen! Und das lässt sich halt eben nicht durch poli-
tisches Engagement, durch sonst was beheben, sondern wirklich nur, indem man mit Leuten
einzeln redet. Und das ist was, was ich halt sehr oft mach.“ (m)
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