Table of Contents Table of Contents
Previous Page  7 / 48 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 7 / 48 Next Page
Page Background

„Deutschland ist ein wunderbares Land, Gott, ist das schön. Aber wir wollen nicht zurück.“

7

Einsichten und Perspektiven Themenheft 1 | 15

„Neuen Freien Presse“. Ende 1894 wurde er in Paris Zeuge

des antisemitischen Prozesses gegen den jüdischen Offizier

Alfred Dreyfus wegen angeblicher Spionage. Zwar musste

der unschuldige, nur auf Grund seiner jüdischen Herkunft

mit falschen Beweisen verurteilte Dreyfus später völlig reha-

bilitiert werden, aber der skandalöse Dreyfus-Prozess, der

hohe publizistische Wellen schlug, war neben der Wahl

Luegers eine entscheidende Ursache dafür, dass Herzl 1896

sein berühmtes Buch „Der Judenstaat“ veröffentlichte. Die

Kernaussage dieser Schrift lautete: Für die Juden gibt es in

Europa keinen sicheren Platz und keine Hoffnung. Deshalb

müssten sie sich einen eigenen Staat erkämpfen.

Herzl verkörperte jüdischen Stolz und jüdisches Selbst-

bewusstsein; er wurde erster Präsident der Zionistischen

Weltorganisation. Es dauerte noch Jahrzehnte, bis sein

Traum in Erfüllung ging: Am 29. November 1947 stimmte

die UN-Vollversammlung für die Teilung Palästinas und

für die Gründung eines jüdischen Staates neben einem ara-

bisch-palästinensischen Staat. Und am 14. Mai 1948 rief

David Ben Gurion den Staat Israel aus.

Theodor Herzl erlebte dies nicht mehr, aber sein Grab

auf dem Herzl-Berg in Jerusalem wurde der zentrale natio-

nale Gedenkort des neuen Staates.

Entrechtung – Verfolgung – Ermordung

Der Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft mar-

kiert auch den Beginn von Diskriminierung, Ausgren-

zung, Verfolgung, Entrechtung, Beraubung und schließ-

lich Ermordung der Juden in Deutschland und in den

eroberten und besetzten Gebieten.

Eine ungeheure Zahl von diskriminierenden antijüdischen

Rechtsvorschriften wurde erlassen. Dem staatlich verord-

neten Boykott jüdischer Geschäfte, Anwaltskanzleien

und Arztpraxen am 1. April 1933 folgte nur wenige Tage

später das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeam-

tentums“, das die Entlassung des Großteils der jüdischen

Beamten und Angestellten bestimmte. Der sogenannte

„Arier-Paragraph“ dieses Gesetzes wurde bald auf sämtli-

che Organisationen übertragen und verdrängte die Juden

aus nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen.

Die Nürnberger Gesetze, beschlossen am 15. Septem-

ber 1935 auf dem Nürnberger Parteitag, dem sogenann-

ten „Parteitag der Freiheit“, bedeuteten eine neue Qualität

der antijüdischen Ausgrenzung: Das „Reichsbürgergesetz“

und das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und

der deutschen Ehre“ machten die deutschen Juden zu

Staatsbürgern zweiter Klasse, ohne politische Rechte.

Mit dem Reichskristallnachtpogrom imNovember 1938

begann eine weitere Stufe des Terrors und der Verfolgung:

Über 30.000 Juden wurden in Konzentrationslager depor-

tiert, jüdische Einrichtungen, Synagogen, Geschäfte, Woh-

nungen wurden zerstört, geplündert, in Brand gesetzt. Eine

Welle antijüdischer Maßnahmen, Enteignungen und Ent-

rechtungen sollte die Juden zur Auswanderung zwingen.

Zunehmend wurde ihnen verboten, öffentliche Orte aufzu-

suchen, sie mussten ihre Wohnungen und Häuser verlassen,

wurden in „Judenwohnungen“ zusammengepfercht.

Am 23. Oktober 1941 wurde jede Auswanderung der

Juden strikt verboten; zu dieser Zeit lebten in Deutschland

noch 164.000 Juden; 1933 waren es knapp 500.000 gewesen.

Ministerpräsident David Ben Gurion

verliest die Unabhängigkeitserklärung

im Kunstmuseum, Tel Aviv 14. Mai 1948.

Foto: ullstein bild/Reuters