Die Interviews
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Einsichten und Perspektiven Themenheft 1 | 15
Die Interviews
Gertrud Klimowski: Der Friseur sagte, mein
Hinterkopf sei besonders arisch
Gertrud Klimowski wurde 1923 als Gertrud Jakobsohn in
Regensburg geboren. Im Alter von drei Jahren zog sie mit ihrer
Familie nach Nürnberg. Am 1. April 1933, dem „Judenboy-
kotttag“, mussten sie Nürnberg plötzlich verlassen und lebten
zwei Jahre bei den Großeltern in Hamburg. Anschließend
zogen sie nach Freiberg, wo ihr Vater bereits die Auswande-
rung nach Palästina vorbereitete. Ein dreiviertel Jahr lebte
Gertrud Klimowski ohne Eltern bei ihren Tanten in Amster-
dam, bis sie schließlich 1937 mit ihrer Familie nach Palästina
auswanderte. Im Krieg diente sie in Ägypten beim englischen
Militär. Während dieser Zeit heiratete sie ihren Mann. Spä-
ter lebte sie mit ihrer Familie in Ramat haScharon, bis ihr
Mann vor wenigen Jahren starb. Heute wohnt sie zufrieden
im Pinchas Rosen Parents’ Home. Sie hat zwei Töchter, fünf
Enkelkinder und sieben Urenkel.
Der Frosch
Ich hatte mal einen Frosch geschenkt bekommen. Der fing
an, nachts zu quaken. Mein Vater ist gleich aufgestanden und
hat das Ding genommen und irgendwo in einen Park gege-
ben. Das wäre ein Grund gewesen, dass im Haus vielleicht
Leute sagen: Die Juden stören uns. Ja, man hat sich geduckt!
Schocken
Vorab eine Frage: Sagt Euch noch die Warenhauskette Scho-
cken was, die es vor demZweitenWeltkrieg in ganz Deutsch-
land gab? Das Unternehmen war eng mit meiner Familie
verwoben. Nach einigen Kaufhäusern in Ostdeutschland
wurde 1920 eines in Regensburg gegründet und als 13. Nie-
derlassung 1926 ein Schocken-Warenhaus in der Nürnber-
ger Südstadt, das später zu Horten wurde. Die Kette war
viel billiger als die kleinen Läden, da sie über relativ wenige
Produkte und einen massenhaften Einkauf verfügte.
Ich wurde 1923 in Regensburg geboren, wo eben auch
eines der Kaufhäuser war, und habe dort drei Jahre mit
meinen Eltern gelebt. Mein Vater war leitender Angestell-
ter. Als ich drei Jahre alt war, wurde mein Vater in das
Nürnberger Warenhaus, das viel größer war, versetzt. Er
war auch dort in führender Position und meine Mutter,
meine Geschwister und ich sind nachgekommen. Es ging
uns damals finanziell sehr gut und wir hatten ein sehr
schönes Haus am Dutzendteich in der Hagedornstraße
14. Damals lag dort noch der Tiergarten und in der Nähe
befand sich das große Stadion, wo die großen Aufmärsche
waren. Das war aber erst später. In der Nähe in Zerzabels-
hof bin ich in die Schule gegangen.
Bilder des alten Kaufhauses Schocken aus Frau Klimowskis Fotoalbum
Foto: Christian Oberlander
Gertrud Klimowski
Foto: Christian Oberlander