Begegnungen, die verändern
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Einsichten und Perspektiven Themenheft 1 | 15
Begegnungen, die verändern
Die beiden begleitenden Lehrkräfte des Praxisseminars „Warum erinnern“ berichten subjektiv
von ihren Eindrücken während des Interviewprojekts.
von Tina Braune und Johannes Uschalt
Foto: Christian Oberlander
„Ist das machbar?“ – Diese Frage wurde uns immer wieder
gestellt, von Eltern, Kollegen, Freunden, aber auch von
den Schülerinnen und Schülern, die sich freiwillig diesem
ambitionierten Zeitzeugenprojekt angeschlossen hatten.
Die historische und pädagogische Konzeption war klar:
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Projektsemi-
nars mit dem Titel „Warum erinnern?“ würden im Januar
2013 nach Israel reisen, um dort in einem deutschspra-
chigen Altenheim Überlebende des Holocaust zu intervie-
wen. Diese würden uns dort von ihren Erlebnissen wäh-
rend der Zeit des „Dritten Reichs“ erzählen.
Ein Aspekt stand für uns als Lehrer dabei besonders im
Vordergrund: Wir wollten die Geschichte des „Dritten
Reichs“ und des Holocaust aus dem oft professionell dis-
tanzierten Unterrichtsgeschehen lösen. Im persönlichen
Gespräch mit Opfern des Regimes entstünde, so unser
Ansatz, ein neues Verständnis nicht nur von den Gescheh-
nissen, sondern auch den Auswirkungen des Holocaust
auf die Betroffenen.
Neben den Chancen, die die „Oral History“ im Erfah-
ren von Geschichte bietet, wurden die Schülerinnen und
Schüler im Vorfeld aber auch auf die Schwierigkeiten
dieser Form der Geschichtsvermittlung vorbereitet. Dem-
entsprechend wurden Interviewtechniken in Workshops
und ersten Zeitzeugengesprächen vorab erprobt. Auch
eine umfangreiche Auseinandersetzung mit der Entste-
hung des (nationalsozialistischen) Antisemitismus und
der Geschichte Palästinas und Israels ging unserer Fahrt
voraus.
Doch trotz dieser sehr intensiven Vorbereitung blieb
grundlegende Skepsis: Im Vorfeld wurden Bedenken
geäußert, die emotionale Belastung könne zu groß wer-
den, es könnten schwierige Gesprächssituationen für beide
Gesprächsparteien entstehen, das Einfühlungsvermögen
der Interviewenden könne unzureichend sein, kurz, eine
Überforderung aller Beteiligten könne eintreten.
Die Frage, ob das ganze Unterfangen machbar sei, hatte
sich in dem Moment erledigt, als wir das
Pinchas Rosen
Parents’ Home
in Ramat Gan nahe Tel Aviv am nächsten
Vormittag betraten. In der Lobby des Altenheims wurden