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„Deutschland ist ein wunderbares Land, Gott, ist das schön. Aber wir wollen nicht zurück.“

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Einsichten und Perspektiven Themenheft 1 | 15

„Deutschland ist ein wunderbares

Land, Gott, ist das schön. Aber wir

wollen nicht zurück.“ 

1

von Peter Zinke und Robert Sigel

Wenige Jahre nach der israelischen Staatsgründung wurde

es errichtet, das „

Pinchas Rosen Parents’ Home

“ in Ramat

Gan (auf Deutsch: „Gartenhöhe“) bei Tel Aviv. Benannt

ist diese wunderbare, lichte Wohnanlage nach Felix Rosen-

blüth. Rosenblüth, ein deutscher Jude und Jurist, hatte

wie so viele Auswanderer nach seiner Emigration in den

zwanziger Jahren seinen Namen hebräisiert. Pinchas Rosen

wurde 1948 der erste Justizminister des neu gegründeten

Staates Israel und war zwanzig Jahre lang Mitglied der

Knesset, des israelischen Parlaments. Pinchas Rosen war

auch Mitbegründer der „Vereinigung der Israelis mittel-

europäischer Herkunft“, das heißt derjenigen Israelis, die

deutschsprachig und von deutscher Kultur geprägt waren,

also aus Deutschland stammten, aus Österreich oder der

Schweiz, auch aus der Tschechoslowakei und anderen Län-

dern;

„Jeckes“

wurden diese deutsch sozialisierten Juden

genannt und für sie wurde das „

Pinchas Rosen Parents’

Home

“ gegründet. Zwar liegen auch heute noch deutsche

Zeitschriften im Foyer aus, zwar sind viele der Hinweise

auch heute noch auf Deutsch geschrieben, aber der deut-

sche Charakter des Heimes schwindet, die sogenannten

Jeckes

stellen inzwischen eine Minderheit dar.

Eretz Israel

Die deutschsprachigen Einwanderer kamen überwiegend

erst nach 1933 in das damalige britische Mandatsgebiet

Palästina, nach 1948 dann diejenigen, die überlebt hat-

1 Zitat aus dem Interview mit Lea Jacobstamm, siehe S. 6.

ten und nun, nach der israelischen Staatsgründung, nicht

mehr an der Einreise gehindert wurden. In den zionisti-

schen Einwanderungswellen zuvor hatten sich vor allem

Juden aus Russland und Polen auf den Weg gemacht.

Eigentlich hätte 1897 München zum Geburtsort des

Zionismus werden können, denn der Wiener Journalist

Theodor Herzl wollte in München den ersten zionisti-

schen Weltkongress veranstalten. Doch sowohl der Allge-

meine Deutsche Rabbinerverband als auch die Israeliti-

sche Kultusgemeinde in München lehnten einen solchen

Kongress, lehnten die Idee des Zionismus, die Gründung

eines jüdischen Staates in Palästina, ab. Sie fühlten sich

als Deutsche, als jüdische Deutsche, die Gründung eines

Judenstaates schien den allermeisten von ihnen zwar unter-

stützenswert, aber

Eretz

(„Land“)

Israel

galt ihnen selbst

nicht als wirkliche Alternative. Die Juden in Deutschland

waren gleichberechtigt, häufig assimiliert; in allen Berei-

chen der Gesellschaft, vom Sport bis zur Wissenschaft,

von der Wirtschaft bis zu Kunst und Literatur leisteten

deutsche Juden einen wichtigen Beitrag zu Fortschritt und

Wohlergehen, als Patrioten hatten sie im Ersten Weltkrieg

einen sehr hohen Blutzoll geleistet.

Seit den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts äußer-

ten sich auch in Deutschland wieder antisemitische Strö-

mungen, in Österreich errang der Antisemitismus sogar

einen ersten großen politischen Erfolg: 1895 wurde der

Antisemit Karl Lueger mit deutlicher Mehrheit zum Bür-

germeister von Wien gewählt. Ein anderer Österreicher,

Theodor Herzl, der Begründer des Zionismus, war zu die-

ser Zeit schon vier Jahre Pariser Korrespondent der Wiener