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Der sogenannte„Röhm-Putsch“ – eine Zäsur in der Geschichte des nationalsozialistischen Regimes

Einsichten und Perspektiven 1 | 18

Die Haltung der Reichswehr

Die Reichswehr unterstützte die Mordaktion, weil

Röhm mit seinen Forderungen die Monopolstellung der

Reichswehr als den alleinigen „Waffenträger der Nation“

bedrohte. Reichswehrminister Werner von Blomberg hatte

zusammen mit dem Generalmajor und Chef des Minister-

amtes im Reichswehrministerium, Walter von Reichenau,

Hitler zumHandeln gedrängt. Folgt man Paul Körner, dem

damaligen Staatssekretär im Preußischen Staatsministe-

rium, der im Münchner Schwurgerichtsprozess gegen Sepp

Dietrich und Michael Lippert 1953 als Zeuge vernommen

wurde, hat die Reichswehr unter Blomberg und Reichenau

beim sogenannten „Röhm-Putsch“ eine ausschlaggebende

Rolle gespielt. Beide sollen Reinhard Heydrich, dem Nach-

folger von Diels als Chef der Gestapo, belastendes Material

gegen Röhm zugespielt haben.

23

Als Reichspräsident Paul

von Hindenburg anfänglich Kritik an der Mordaktion

äußerte, war es Blomberg, der ihn besänftigte. Daraufhin

23 Vgl. Gritschneder (wie Anm. 5), S. 74.

unterzeichnete Hindenburg den Telegrammtext an Hitler:

„Aus den mir erstatteten Berichten ersehe ich, daß Sie durch

Ihr entschlossenes Zugreifen und die tapfere Einsetzung

Ihrer eigenen Person alle hochverräterischen Umtriebe im

Keime erstickt haben. Sie haben das deutsche Volk aus einer

schweren Gefahr gerettet. Hierfür spreche ich Ihnen mei-

nen tief empfundenen Dank und meine aufrichtige Aner-

kennung aus. Mit besten Grüßen, von Hindenburg.“

24

Als

Hindenburg Anfang August 1934 starb, veranlassten Blom-

berg und Reichenau die sofortige Vereidigung der Offiziere

und Soldaten auf die Person Hitlers, obwohl von Blomberg

als Wehrmachtsminister dazu gar nicht befugt war.

25

Propagandistische Unterstützung der Morde

Der „Völkische Beobachter“ brachte nach Ablauf der

Röhm-Aktion Seiten mit Treuebekundungen, in denen

dem „Führer“ für sein entschlossenes Handeln gedankt

wurde. Großes Unglück und ein Blutbad seien vom deut-

schen Volk abgewendet worden. Die Mordaktion wurde

als „rettende Tat“ hingestellt. Hitler selber erklärte in sei-

ner vom Rundfunk übertragenen Reichstagsrede am 13.

Juli 1934: „In dieser Stunde war ich verantwortlich für das

Schicksal der deutschen Nation und damit des deutschen

Volkes oberster Gerichtsherr!“

26

Konkrete Beweise legte

Hitler nicht vor.

27

Neben dem Rednerpult standen SS-

Angehörige mit Gewehr und Stahlhelm. Am Ende dieser

gespenstischen Reichstagssitzung nahmen die Abgeordne-

ten eine von Reichstagspräsident Göring vorgelegte Ent-

schließung an: „Der Reichstag billigt die Erklärung der

Reichsregierung und dankt dem Reichskanzler für seine

tatkräftige und entschlossene Rettung des Vaterlandes vor

Bürgerkrieg und Chaos.“

28

24 Zit. n. ebd., S. 68.

25 Vgl. ebd., S. 76, sowie Kirstin A. Schäfer: Werner von Blomberg: Hitlers

erster Feldmarschall, eine Biografie, Paderborn 2006, S. 155.

26 Zit. n. ebd., S. 54.

27 Den einzigen konkreten Hinweis, den Hitler gab, war die Behauptung, dass

der Standartenführer Julius Uhl gedungen worden sei, ihn umzubringen.

Dies habe Uhl noch wenige Stunden vor seinem Tode gestanden, so Hit-

ler in seiner Rede. Eine Gruppe von SA-Funktionären hatte tatsächlich

Mordpläne gegen Hitler entwickelt, aber nicht im Juni 1934, sondern im

Sommer 1932. Diese Gruppe war der Meinung, dass Hitler mit seinem

Legalitätskurs keinen Erfolg haben werde und deshalb ausgeschaltet

werden müsse. Das Los zur Vollstreckung der Tat fiel auf Uhl. Als Hitler

zum Reichskanzler ernannt wurde, ließ man diesen Plan wieder fallen.

Uhl wurde in Bad Wiessee in den frühen Morgenstunden des 30. Juni

in Gegenwart Hitlers verhaftet und am 2. Juli im KZ Dachau erschossen.

Kurz vor seiner Ermordung soll er die alten Pläne gestanden haben. Diese

hatten aber nichts mit dem sogenannten Röhm-Putsch im Juni 1934 zu

tun, was Hitler in seiner Reichstagsrede geflissentlich verschwieg.

28 Zit. n. Gritschneder (wie Anm. 5), S. 56.

Ein öffentlicher „Führer“-Befehl verkündet die Einsetzung Viktor von Lutzes

als Stabschef.

Foto: sz photo/Scherl