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Einsichten und Perspektiven 4 | 17
derheitsregierung unter Umständen tolerieren zu wollen.
Unklar bleibt aber, ob die in Union in einem solchen Falle
alleine, zusammen mit der FDP oder den Grünen regie-
ren würde.
Als letzte Möglichkeit blieben Neuwahlen, die Bun-
despräsident Steinmeier allerdings bislang ablehnt.
Dem Bundespräsidenten kommt nach der Bundes-
tagswahl 2017 zum ersten Mal die bedeutende Rolle
als Makler bei der Regierungsbildung zu, die ihm
die Verfassung als Reservemacht zuschreibt. Seiner
Ansicht nach sind die Parteien in der Pf licht, sich auf
eine Regierung zu verständigen, und Steinmeier hält
die Rückgabe dieser Entscheidung an die Wählerin-
nen und Wähler für den falschen Weg. Einen ersten
Erfolg hat er bereits erzielt, indem er Martin Schulz
von seinem kategorischen Nein zu einer Großen Koali-
tion abgebracht hat. Ohnehin ist er mit seiner (ruhen-
den) SPD-Parteimitgliedschaft der richtige Mann, um
auch andere Akteure in der Partei zu überzeugen. Er
ist es, der mit seinem Vorschlag für eine Kandidatin
oder Kandidaten den formalen Prozess der Regierungs-
bildung anstößt und er ist es, der im Falle einer nur
einfachen Mehrheit ultimativ über die Frage Minder-
heitsregierung oder Neuwahlen entscheidet.
Fazit: Viel zu erforschen
Die Bundestagswahl 2017 wird der Forschung viel
Arbeit bescheren. Zwar ist der Ausgang der Regierungs-
bildung auch nach über zehn Wochen noch offen [Stand:
01.12.2017], doch schon die oben beschriebenen Aspekte
versprechen bereits interessante Erkenntnisse. Unbestritten
ist der starke Einfluss der AfD auf diese Wahl. Die Partei
war durch ihre starke Polarisierung mit dafür verantwort-
lich, dass Wahlkampf und Wahl 2017 wieder stärker poli-
tisiert waren. Zweifelsohne war das ein Grund, der letztlich
mit zu einer Steigerung der Wahlbeteiligung führte. Waren
wir bislang verwöhnt, was die Regierungsbildung angeht,
sehen wir uns diesmal mit einer neuen und ungewohnten
Situation konfrontiert. Viele europäische Nachbarn reiben
sich verwundert die Augen, über die Ereignisse nach der
Wahl im ansonsten so stabilitätsfixierten Deutschland. Der
weitere Weg ist unklar, aber die Verfassung formuliert in
kluger Voraussicht durchaus Regeln, wie hiermit umzuge-
hen ist. Die geschäftsführende Regierung arbeitet weiter.
Selbst Neuwahlen wären ein Novum, bedeuten aber für die
stabile deutsche Demokratie keine Krise. In diesem Sinne
stehen in der Wahlnachlese viele offene Fragen und For-
schungslücken, aber andererseits auch die Analyse länger-
fristiger Entwicklungen im Raum.
Bundespräsident Steinmeier appelliert nach dem Scheitern der Koalitionssondierungen an die politischen Verantwortungsträger, eine gangbare Regierungs-
konstellation zu finden, Berlin, 20. November 2017.
Foto: picture alliance/ZUMA Press/Fotografin: Simone Kuhlmey
Wahlnachlese 2017