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Zur Diskussion gestellt: CETA

Einsichten und Perspektiven 1 | 17

CETA wurde von vielen Beobachtern sowohl politisch als

auch inhaltlich als Vorlage für ein sehr viel größeres und

systemisch relevanteres Abkommen gesehen: für das trans-

atlantische Freihandelsabkommen

(transatlantic trade and

investment partnership

, TTIP) zwischen EU und den USA.

Mit TTIP existieren auf Grund der engen wirtschaftlichen

Verflechtung Kanadas mit den USA zahlreiche ökonomi-

sche Querverbindungen. In der Tat vermuten viele Beob-

achter, dass CETA niemals so kontrovers diskutiert worden

wäre, wenn nicht das TTIP-Abkommen parallel verhandelt

worden wäre. Diese Hypothese wird von dem Umstand

unterstützt, dass frühere EU-Abkommen, z.B. jene mit

Singapur oder Südkorea, die formal viele Ähnlichkeiten

mit CETA besitzen, ohne eine ähnlich kontroverse Debatte

verhandelt und (im Falle Koreas) ratifiziert wurden.

Es ist wichtig, das CETA-Abkommen nicht isoliert,

sondern als Bestandteil der größeren Handelsstrategie der

Europäischen Union zu verstehen. Die

„Global Europe

Strategy“

aus dem Jahr 2006 sah vor, die Wachstumsregi-

onen der Welt mit Freihandelsabkommen zu erschließen,

sodass die europäische Wirtschaft einen sicheren Regel-

rahmen vorfindet, um zur Sicherung von Beschäftigung,

Einkommen, und Wachstum im Inland Chancen wahr-

nehmen zu können.

3

Es geht also nicht primär, wie in

früheren Abkommen, um entwicklungspolitische Ziele

oder um die Vorbereitung einer EU-Vollmitgliedschaft,

sondern um die Sicherung der ökonomischen Interessen

der EU-Mitglieder.

Diese Verengung wurde in der Diskussion um CETA

und TTIP öffentlich diskutiert, was zu der neuen

„Trade

for All“

-Strategie geführt hat, die die EU-Kommissarin

Cecilia Malmström im Oktober 2015 vorstellte. Hier

wird neben der Verfolgung wirtschaftlicher Ziele betont,

dass die Außenhandelsstrategie europäische Werte (wie

die Verankerung der Menschenrechte, der umwelt-,

sozial- und arbeitsrechtlichen Standards oder die Bekämp-

fung der Korruption) nach Innen und nach Außen absi-

chern soll. Es wird festgeschrieben, dass das regulatorische

Modell der EU durch Handelsabkommen nicht in Frage

gestellt werden darf.

4

Das CETA-Abkommen wurde vor

der Verabschiedung dieser neuen Agenda verhandelt;

allerdings kam es im Nachgang zu einer Neuverhandlung

3

Siehe dazu EU Kommission (2006), Global Europe: Competing in the World. A Contribution to the EU’s Growth and Jobs Strategy, http:// trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2006/october/tradoc_130376.pdf [Stand: 08.03.2017].

4

Siehe dazu EU Kommission (2015), Trade for all: Towards a more re- ponsible trade and investment policy, http://trade.ec.europa.eu/doclib/ docs/2015/october/tradoc_153846.pdf [Stand: 08.03.2017].

des Investitionskapitels und zu einer Vielzahl von Neben-

abreden, deren Zweck auch darin besteht, das Abkommen

an die neuen Leitlinien heranzuführen.

Das Abkommen hat drei wesentliche Bestandteile:

1. Die gegenseitige Verbesserung des Marktzuganges

2. Regulatorische Kooperation

3. Investitionsschutz

Der erste Punkt umfasst die komplette

Abschaffung aller

Zölle

auf Industriegüter über sieben Jahre. 92 Prozent der

Agrar- und Nahrungsmittelerzeugnisse sollen von Zöllen

befreit werden; dies ist vor allem im Bereich verarbeiteter

Lebensmittel relevant. Insgesamt fällt eine Zollbelastung

von anfangs 400 Mio. Euro, und nach sieben Jahren von

circa 500 Mio. Euro für Exporteure aus der EU nach

Kanada weg. Weil die europäischen Exporte in Kanada

durchschnittlich stärker mit Zöllen belastet sind als die

kanadischen Exporte in der EU, profitiert die EU in die-

sem Bereich stärker als Kanada.

5

Für einige empfindliche Erzeugnisse wie Rindfleisch,

Schweinefleisch, Zuckermais auf EU-Seite und Milcher-

zeugnisse auf kanadischer Seite wird der präferenzielle

Zugang mit Quoten beschränkt. Der Handel mit Geflü-

gel und Eiern wird nicht liberalisiert. Für mit Hilfe von

Wachstumshormonen hergestelltes Rindfleisch oder für

gentechnisch hergestellte Lebensmittel bleiben die existie-

renden Beschränkungen unverändert bestehen. Es ist der

EU gelungen, in Kanada den Schutz von insgesamt 143

geographischen Ursprungsbezeichnungen durchzusetzen.

Dies betrifft etwa die deutsche Spreewaldgurke, Hop-

fen aus der Hallertau, Tiroler Speck aus Österreich, oder

Käsesorten wie Rocquefort und Gouda.

Die EU und Kanada öffnen gegenseitig die Märkte für

öffentliche Beschaffung auf allen Ebenen der Verwaltung.

Hier wird eine bislang asymmetrische Situation begra-

digt: Während kanadische Firmen bei Vorgängen in der

EU mitbieten konnten, war dies für Unternehmen der

EU in Kanada nicht möglich. In CETA wird Firmen aus

der EU-Zugang in die Beschaffungsmärkte der Provin-

zen und Kommunen gewährt. Hier geht CETA weiter

als jedes andere existierende Vereinbarung Kanadas, ein-

schließlich des Nordamerikanischen Freihandelsabkom-

mens NAFTA. Allerdings werden nur Beschaffungsvor-

gänge mit einem bestimmten Mindestvolumen geöffnet

(ca. 250.000 Euro bei Gütern und Dienstleistungen; ca.

5 Für Belege hierfür siehe die Ausführungen in späteren Abschnitten dieses

Beitrages.