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Einsichten und Perspektiven 1 | 17
Zur Diskussion gestellt: CETA
sechs Mio. Euro bei Bauvorhaben).
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Dies soll sicherstel-
len, dass kleine Beschaffungsvorgänge, z.B. auf kommu-
naler Ebene, neuen Ausschreibungspflichten unterworfen
werden. Damit auf EU-Seite die Unternehmen auch über
Projekte in Kanada informiert sind, hat sich Kanada ver-
pflichtet, über alle Vorgänge Transparenz herzustellen.
Im Bereich der Dienstleistungen wird europäischen
Anbietern in Schlüsselbranchen wie Finanzdienstleistun-
gen, Telekommunikation, Energie und Seeverkehr der
Zugang zum kanadischen Markt gewährt. Das Abkommen
enthält Bestimmungen zur gegenseitigen Anerkennung von
Qualifikationen in reglementierten Berufen und erleichtert
den vorübergehenden Aufenthalt wichtiger Mitarbeiter
von Unternehmen und von Dienstleistern. Auch die grenz-
überschreitende Ausübung bestimmter freier Berufe wird
erleichtert. Zahlreichen landwirtschaftlichen Erzeugnissen
mit einem besonderen geografischen Ursprung wird in
CETA ein besonderer Status und Schutz auf dem kanadi-
schen Markt zugestanden. Ein
„Joint Customs Cooperation
Committee“
soll Vereinbarungen zur Vereinfachung und
Beschleunigung von Zollverfahren begleiten.
CETA schließt öffentliche Dienstleistungen aus. So ent-
hält das Abkommen keine Verabredungen, die das Recht
der EU-Mitgliedsstaaten beeinträchtigen würden, öffent-
liche Monopole (z.B. in der Daseinsvorsorge) zu betrei-
ben. Es enthält keine Verpflichtungen zur Privatisierung
öffentlicher Dienstleister, weder bei der Wasserver- und
entsorgung, dem Gesundheitswesen oder der Bildung.
Die Mitgliedstaaten können wie bisher entscheiden, ob
und inwieweit sie Dienstleistungen entgeltfrei, mittels
öffentlicher Betriebe und unter Einsatz von Subventionen
anbieten wollen. Schon ganz zu Beginn des Vertragstextes
wird Wasser aus dem Anwendungsbereich des Abkom-
mens ausgenommen, in dem ihm die Eigenschaft einer
Ware oder eines Erzeugnisses abgesprochen wird.
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Im Bereich der
regulatorischen Kooperation
legt der
CETA-Text Bestimmungen nieder, die zu einer größeren
Transparenz auf dem Gebiet der technischen Vorschriften
und zu einer intensiveren Zusammenarbeit der zuständi-
gen Normungsgremien führen sollen. Mit einem geson-
derten Protokoll wird die Anerkennung der Konformitäts-
bewertung zwischen den Vertragsparteien verbessert. Die
gegenseitige Anerkennung ist in den Bereichen elektrische
Güter, Elektronik und Radiotechnik, Spielzeug, Maschi-
6 Siehe dazu Anhang 19-1 und 19-1 des CETA-Abkommens.
7 Nur die Bestimmungen zur nachhaltigen Entwicklung und zur Umwelt
politik sind auf Wasser anwendbar.
nen und Messinstrumente vorgesehen. Das Abkommen
regelt genau, unter welchen Bedingungen eine Akkredi-
tierungs- oder Zulassungsstelle in der EU Güter für die
Zulassung in Kanada testen darf und umgekehrt. Damit
wird die Doppelung von Testprozeduren vermieden; dies
berührt aber nicht die Kriterien der Marktzulassung selbst.
Bestimmungen zum Schutz geistigen Eigentums wer-
den harmonisiert. CETA berührt nicht die Lebensmittel-
oder Umweltvorschriften in der EU. Kanadische Erzeug-
nisse dürfen nur dann in die EU eingeführt werden, wenn
sie den europäischen Rechtsvorschriften entsprechen. Mit
CETA gehen auch keine spezifischen Beschränkungen
der künftigen Rechtsetzung einher. Beide Vertragspar-
teien behalten das Recht zur freien Regulierung in Berei-
chen von öffentlichem Interesse wie Umwelt, Gesundheit
und Sicherheit. Das Abkommen sieht die Einrichtung
eines Forums für die Zusammenarbeit in Regulierungs-
fragen vor, der sich aus Vertretern der EU und der USA
zusammensetzt und das sicherstellen soll, dass zukünftige
Regulierung keine diskriminierenden Effekte auf den
Handel hat. Die Mitwirkung in diesem Rat ist freiwillig
(Art. XXI.2 (6)) und soll die Zusammenarbeit zwischen
Regulierungsbehörden und gesetzgeberischen Institutio-
nen verbessern. Das Forum kann bestehende Regulierun-
gen nicht ändern, kann keine neuen Gesetze entwickeln,
hat keinerlei Entscheidungsbefugnisse und schränkt die
Befugnisse der Regulatoren in der EU nicht ein.
CETA ist das erste Handelsabkommen der EU, das ein
umfassendes
Investitionsschutzkapitel
enthält. Seit dem
Lissabon-Vertrag hat die EU Kompetenz in Fragen auslän-
discher Direktinvestitionen. Das Kapitel geht aber weit über
diese Kompetenzen hinaus und verwendet eine sehr breite
Definition von Investitionen, die Portfolioinvestitionen,
private und öffentliche Anleihen. Allerdings ist die Restruk-
turierung öffentlicher Schulden vom Anwendungsbereich
des Kapitels ausgeschlossen. Das Investitionsschutzkapitel
verbietet Diskriminierung ausländischer Investoren in jegli-
cher Hinsicht, und zwar bei dem Recht investieren zu dür-
fen (sog.
pre-establishment)
und bei der Behandlung nach
erfolgter Investition (sog.
post-establishment).
Außerdem
begründet das Kapitel das Recht auf adäquate Entschädi-
gung, wenn ein Investor enteignet werden soll (direkt oder
indirekt). In älteren Abkommen wurden diese Rechte mit
Hilfe einer Investor-Staats Schiedsgerichtsbarkeit (ISDS)
durchgesetzt. Diese Handhabung ist allerdings aufgrund
mehrerer Probleme in die Kritik geraten: Erstens wurden
die ISDS-Verfahren wegen ihrer fehlenden Öffentlichkeit
kritisiert. Zweitens wurde beanstandet, dass die Unpartei-
lichkeit der Schiedsrichter nicht garantiert wäre. Schließlich