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Kain denk mal – böse
Einsichten und Perspektiven 3 | 15
Titel des Hefts Nr. 42 der Zeitschrift „Agit 883“ vom 27.11.1969
Druckerei „Gegendruck“, Gaiganz
Mitten in der oberfränkischen Provinz gründeten Erlan-
gener Studenten eine linke Druckerei, die entsprechende
Schriften druckte und vor allem auch für die Frankfurter
Szene arbeitete. Verbindungsmann zu Gerhard Schne-
pel, dem Druckereileiter,
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war wahrscheinlich wiederum
Böse, der sich wie viele andere Mitglieder des Frankfurter
Verlags und der späteren RZ immer wieder nach Gaiganz
begab. Hier wurden auch Pässe gefälscht und gefälschte
Flugtickets gedruckt, die an die palästinensische PFLP-SC
zum Verkauf weitergegeben wurden. Spätestens hier ent-
standen also enge Verbindungen zwischen RZ und PFLP-
SC.
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Frankfurter Hausbesetzungen, propalästinensische Aktionen
Wohl noch vor Böses Umzug nach Frankfurt hatte Wolff
im Juli 1969 bei einer pro-palästinensischen Demonstra-
tion in Frankfurt den israelischen Botschafter verbal ange-
griffen.
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Böse stand der Hausbesetzer-Szene nahe, war im
„Roten Gallus“ – einer Stadtviertelbewegung – tätig und
gab anfangs der 1970er Jahre als Schauspieler im Straßen-
theater den „bösen Kapitalisten“.
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Beide Vorfälle veran-
schaulichen die fahrlässige Unbekümmertheit, mit der die
Frankfurter linke Szene dieser Zeit das Verhältnis zu Israel
und jüdischen Menschen betrachtete. Böse erscheint hier
wie auch später nicht als genuiner Antisemit auf der Linie
der Nationalsozialisten; doch es ging hier um Formen des
linken Antisemitismus, in denen krude Kommunismus-
Thesen mit alten antisemitischen Stereotypen vermischt
wurden. Böse verlor nicht nur in diesem ideologischen
Sinn zunehmend Hemmungen, betrachtete Gewalt als
oppositionell und ebnete in dieser Hinsicht seinen Weg
nach Entebbe.
Rote Armee Fraktion (RAF)
Man kann davon ausgehen, dass Böse zum Unterstüt-
zerkreis der RAF gehörte. Hans Joachim Klein, der von
Böse für die „Revolutionären Zellen“ angeworben wor-
den war,
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kennzeichnet ihn als Vertreter recht radikaler
Positionen.
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Direktes Mitglied war er wohl nie. Nach
Aussage von RAF-Kronzeuge Gerhard Müller hat er aber
schon früh eng und intensiv mit der ersten RAF-Genera-
tion zusammengearbeitet und war von Baader und Ensslin
durchaus geschätzt, wenn er sich auch wohl eine gewisse
Unabhängigkeit von diesen bewahrte.
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Müllers Aussa-
gen passen gut zu allem, was man sonst über Böse weiß;
seine Zeugenaussage steht allerdings allein und ist vor
Gericht – nicht unbedingt im Polizeiverhör – unmittelbar
nach Böses Tod erfolgt – das lässt Zweifel an deren Wahr-
heitsgehalt bestehen, konnte Müller zu diesem Zeitpunkt
doch viele stark belastende Aussagen einem nicht mehr
belangbaren Toten zuweisen.
Am 15. Juni 1972 wurde Ulrike Meinhof in Hannover
in einer Wohnung verhaftet, die ihr Brigitte Kuhlmann
vermittelt hatte. Wahrscheinlich war Kuhlmann zu die-
sem Zeitpunkt bereits mit Böse liiert. Sicher ist jeden-
falls, dass sie der „Verrat“ des Wohnungseigentümers,
23 Zum Zeitpunkt der Entebbe-Entführung war nicht mehr Böse, sondern
Schnepel der Lebenspartner von Brigitte Kuhlmann.
24 Kopp (wie Anmerkung 23), S. 70 und 76.
25 Kraushaar (wie Anmerkung 19), S. 585.
26 Hans-Joachim Klein: Rückkehr in die Menschlichkeit. Appell eines ausge-
stiegenen Terroristen, Reinbek bei Hamburg 1979, S. 280. Vergleiche auch
Anne Maria Siemens: Durch die Institutionen oder in den Terrorismus: Die
Wege von Joschka Fischer, Daniel Cohn-Bendit, Hans-Joachim Klein und
Johannes Weinrich, Dissertation, Frankfurt am Main 2006, S. 290.
27 Vgl. Koenen, S. 339.
28 Ebd., S. 41–46.
29 Kraushaar (wie Anmerkung 16), S. 592 f.