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2020
GYMNASIUM
Gymnasium 2020 – Tradition und Fortschritt
Gymnasium 2020 – Tradition und Fortschritt
Es wäre ebenso einfach wie unrealistisch, eine wie immer geartete Vision des idealen Gymnasiums der Zu-
kunft zu zeichnen. Zielführend kann jedoch nur sein, das Bildungsangebot des Gymnasiums in Korrelation
mit den realen gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen der Gegenwart
und nahen Zukunft zu definieren und zu begründen.
Selbstverständnis und Anspruch gymnasialer Bildung sind durch die gelingende Parallelführung und Ver-
flechtung der beiden Zielsetzungen Konstanz und Wandel gekennzeichnet:
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Konstanz, d. h. Tradition im besten Sinn als „Weitergabe“ des als wertvoll Erkannten und zeitlos Gül-
tigen,
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Wandel, d. h. Fortschritt als Berücksichtigung bildungsrelevanter Entwicklungen und Veränderungen in
Didaktik, curricularer Umsetzung und Schulorganisation.
Das Gymnasium wird es in den kommenden Jahren mit denselben Megatrends, z. B. Globalisierung, Zu-
wanderung, Mobilität, Individualisierung, Digitalisierung, zu tun haben, mit denen sich die Gesamtgesell-
schaft konfrontiert sieht. Angesichts der bereits sichtbaren und zu erwartenden Herausforderungen wird
sein Auftrag daher ein doppelter sein:
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einerseits das Bewährte zu bewahren und für die Zukunft zu sichern und
•
andererseits die Gestaltungsräume, die sich auftun werden, verantwortungsvoll und zielgerichtet zu
nutzen
– beides im Sinne der heranwachsenden Generationen.
Tradition – Bewährtes bewahren und für die Zukunft sichern
Der jahrzehntelange hohe Stellenwert und der Erfolg des Gymnasiums beruhen nicht von ungefähr auf
ideellen und realen Elementen, die zeitlos und gerade deshalb auch künftig unverzichtbar sind:
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Die Bildungsidee, die W. v. Humboldt seinerzeit für das Gymnasium formuliert hatte, hat nichts von
ihrer Aktualität eingebüßt. Sie intendiert das autonome Individuum, den freien Menschen, der nach
W. v. Humboldt versuchen soll, »so viel Welt als möglich zu ergreifen, und so eng, als er nur kann, mit
sich zu verbinden«, um so seine individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten zu entfalten, sie zu voll-
enden und sich ihrer autonom zu bedienen. Vor dem Hintergrund wachsender sozialer, existentieller
und werttheoretischer Verunsicherung und gleichzeitig massiver Versuche der Einflussnahme wird die
Idee des selbstbestimmten vernünftigen Individuums zunehmend wichtiger.
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Damit verbindet sich auch in Zukunft ein hoher Anspruch, der sich in einem fordernden und zu Kri-
tik, Widerspruch und geistiger Kreativität anregenden Unterricht spiegelt. Von Gymnasiastinnen und
Gymnasiasten wird mehr denn je erwartet, dass sie die Fähigkeit zur Analyse und zur Problemlösung
erwerben und die Herausforderungen nicht nur der realen, sondern auch der geistigen Lebenswirklich-
keit denkerisch bewältigen.
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Die Schülerinnen und Schüler werden dabei nach wie vor auf ein fundiertes Fach- und Weltwissen zu-
rückgreifen müssen, um werteinsichtig urteilen und verantwortungsvoll handeln zu können. Dazu ist es
unerlässlich, sie in klar definierten und profilierten schulischen Bildungsgängen mit eindeutig bestimm-
ten Bildungszielen, ihren Anlagen, Fähigkeiten und Neigungen entsprechend, individuell und gezielt auf
die Erfordernisse ihres weiteren Bildungsganges und darüber hinaus vorzubereiten.
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So wird das Abitur auch weiterhin seiner Funktion nicht nur als Zugangsberechtigung, sondern vor
allem als Zugangsbefähigung für ein Hochschulstudium gerecht. Darüber hinaus jedoch sollen die
Absolventinnen und Absolventen später Führungspositionen in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesell-
schaft übernehmen können. Hierfür ist ein Bewusstsein für die Bedeutung von Verantwortlichkeit für
die Mitmenschen, für Staat und Gesellschaft Grundvoraussetzung. Absolventinnen und Absolventen
eines Gymnasiums sollen bereit und in der Lage sein, „an sich selbst zu arbeiten und für andere tätig
zu sein.“
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