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FLEISS

UND

VERHALTEN

MANGELHAFT?

DIE KLAGEN

ÜBER DIE HEUTIGEN

SCHÜLER

WERDEN IN

LETDER ZEIT

IMMER LAUTER.

IST DAS WIRKLICH

BERECHTIGT?

WAREN DIE

JUNGEN LEUTE

FRÜHER ANDERS?

16 SCHULE

aktuell

B

ei den Schülern, da sind sich

Lehrer, Eitern und Psychologen

einig, sinkt die Fähigkeit zur

Konzentration, steigt die Angriffslust,

fehlen die Geduld und die Lernbe–

reitschaft, erlahmt das Interesse am

Unterricht." So charakterisierte DER

SPIEGEL schon vor einigen Jahren

die Situation unter den westdeut–

schen Schülern. ln einem mehrseiti–

gen Artikel stellte das Hamburger

Nachrichtenmagazin die Probleme

im Klassenzimmer dar - Titel der

Ausgabe: ,Tollhaus Schule'. Wer die

Tagespresse verfolgt, findet beinahe

jeden Tag Schlagzeilen, die das eben

skizzierte Bild vom "heutigen" Schü–

ler unterstreichen. Da ist die Rede

von Aggression und Vandalismus an

Schulen, von Unkonzentriertheit,

Faulheit, Desinteresse und mangeln–

der Leistungsbereitschaft. Das Kla "

gelied singt man in den verschieden-

sten Tonlagen, kritisiert werden vor

allem das Verhalten und die Lei–

stungsfähigkeit der jungen Leute.

So neu sind all diese Vorwürfe je–

doch nicht. Schon bei den Babyioni–

ern finden wir einen Bericht darüber,

daß der Direktor einer Schule ein–

greifen mußte, als ein Schüler den

Lehrer, der ihn tadelte, tätlich angriff:

"Warum benehmt ihr euch so ab–

scheulich? Einer schlägt den anderen

nieder ... " Im 5. Jahrhundert v. Chr.

stellte der Philosoph Sokrates der

athenischen Schuljugend folgendes

Zeugnis aus: "Sie scheinen jetzt das

Wohlleben zu lieben, haben schlech–

te Manieren und verachten die Auto–

rität, sind Erwachsenen gegenüber

respektlos... und tyrannisieren ihre

OHNE RESPEKT

Lehrer." Über 1000 Jahre später ta–

delt Karl der Große seine Zöglinge,

vornehme Fürstensähne, mit den

Worten: "Ihr habt meinen Befehl und

Euren Ruhm mißachtet, indem Ihr das

Studium der Wissenschaften vernach–

lässigtet und der Genußsucht, dem

Spiel, der Faulheit und eitlem Tun er–

lagt." Und in einem Bericht aus dem

Jahre 1657 ist folgende Klage nach–

zulesen : "Die Kollegiaten treiben un–

erhörten Mutw;illen und Bosheit im

Kollegio und in der Schule; sie zerbre–

chen die Fenster, zerstücken den

Ofen, bleiben ohne gegebenen Anlaß

außer dem Kollegio, saufen sich voll,

zerreißen nach beschlossener Tür die

Fensterläden . .. und begehen unzäh–

lige andere Verbrechen."

Es ist unüberhörbar, daß die Kla–

gen im Kern sehr ähnlich sind, daß

die Unzufriedenheit mit den Leistun–

gen und dem Verhalten der Schulju–

gend schon vor mehr als 2000 Jahren

groß war. Zu diesem Schluß kommt

auch Gustav Keller in seinem Buch

"Das Klagelied vom schlechten Schü–

ler", dem die angeführten

Zitat~

ent–

nommen sind. ln einem kurzen Uber–

blick zeigt der Ulmer Schulpsycholo–

ge auf, daß 5000 Jahre Schule, von

den Sumerern bis heute, einhergehen

mit ständiger Kritik über Leistungs–

stand, Lernverhalten und Disziplin

der Schüler. Zu allen Zeiten, so sein

Fazit, blieben die jungen Leute hinter

den von den Erwachsenen gesteckten

Zielen zurück.

Gemeinsam ist den Vorwürfen, da–

mals wie heute, daß die ältere Gene–

ration behauptet, früher, also zu ihrer

Schulzeit, seialldas besser gewesen.