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längst nicht so viel Angst wie wir.

Angst wovor?

Wir sind im Moment in der fatalen

Situation, daß wir den einmal erreich–

ten Wohlstand um jeden Preis erhal–

ten wollen und deswegen sehr ver–

krampft mit dem Geld und unseren

Möglichkeiten umgehen. ln einer Weit,

die sich so schnell verändert wie die

unsere, sollte man aber versuchen, ih–

re Dynamik mitzugestalten, anstatt sich

ängstlich an alten Strukturen festzu–

klammern. Sonst läuft man der Ent–

wicklung hinterher. Wir haben in

Deutschland einfach ein übertriebenes

Sicherheitsbedürfnis.

Uns fehlt also die Risikobereitschaft.

Genau das meine ich. Zwischen Risi–

ko und Chance muß ein ausgewoge–

nes Verhältnis herrschen. Wir neigen

aber sehr dazu, den Risiken zuviel Ge–

wicht beizumessen. ln gewisser Weise

mangelt es uns Deutschen an Pionier–

geist, an der Bereitschaft, etwas Neu–

es auszuprobieren, auch wenn man

nicht weiß, wo es hinführen wird . Da–

zu kommt noch eine Reihe von

bürokratischen Hemmnissen.

Ist das der Grund dafür, daß junge

Nachwuchsforscher aus Deutschland

weggehen?

Zum Teil ist das sicher der Grund

dafür. Andererseits sollte ein junger

Forscher auf jeden Fall einmal für eini–

ge Zeit im Ausland arbeiten . Das wei–

tet den Horizont. Ich bin ja damals

nach meiner Promotion auch zu IBM

in die Schweiz und einige Jahre spä–

ter in die USA gegangen . Es war für

mich höchst interessant, die ganz an–

dere Sichtweise der

Amerikaner vor Ort

kennenzulernen.

Könnten Sie das nä–

her erläutern?

Die Deutschen über–

legen sich ganz ge–

nau, was sie tun woi-

Sauerstoff-Atome auf

einem Halbleiter

len, und erst wenn

sie sich endgültig

über den weiteren Schritt im klaren

sind, führen sie ihn aus. Die Amerika–

ner sind da viel experimentier–

freudiger. Überspitzt formuliert, pro–

biert der Amerikaner etwas Neues

aus, und der Deutsche erklärt ihm,

warum es funktioniert.

Hat dieser Spieltrieb der Amerikaner

etwas mit ihrem Ausbildungssystem

zu tun?

Es ist so, daß die Elite in den USA

besser ausgebildet wird als bei uns.

Aus meiner Zeit als Gastprofessor En–

de der 80er Jahre an der Stanford

University weiß ich, daß sich an den

amerikanischen Spitzenuniversitäten

ein großes Potential an klugen Köpfen

konzentriert. Der Student, der eine sol–

che Hochschule durchläuft, wird natür–

lich von dem Geist, der dort herrscht,

angesteckt.

Würden Sie dafür plädieren, solche

Eliteuniversitäten auch bei uns einzu–

führen?

Man kann vom amerikanischen Sy–

stem sicher etwas lernen. Ein bißchen

von dem besagten Geist, von dem

Enthusiasmus, den man dort findet,

würde uns nicht schaden. Wir haben

in Deutschland meiner Ansicht nach

einen völlig verfehlten Begriff von Eli–

te. Zur Elite zu gehören bedeutet bei

uns, gute Noten zu haben. ln dieser

Beziehung

s~nd

wir viel zu sehr auf

Zahlen fixiert, das pervertiert den Eli–

tegedanken in meinen Augen. ln den

Vereinigten Staaten sieht man das

nicht so eng .

Wenn-Sie an unseren Universitäten-et–

was verändern dürften, wo würden

Sie ansetzen?

Ich würde die Studenten mehr in den

Hochschulbetrieb einbinden. Dazu ge–

hört zum Beispiel, daß sie ihre Profes–

soren am Semesterende beurteilen. ln

den USA ist das ganz selbstverständ–

lich, während bei uns die Hochschul–

dozenten Angst haben, ihre Autorität

könnte dadurch womöglich untergra–

ben werden.

Und was könnte man in der Schule

verbessern?

Unser Bildungssystem muß noch mehr

darauf reagieren, daß heute im Be–

rufsleben ganz andere Qualitäten ver–

langt werden als früher.

An

welche Qualitäten denken Sie da?

Zum Beispiel, daß die Leute ihre eige–

nen Gedanken entwickeln können,

daß sie in der Lage sind, spielerisch

mit einem Thema umzugehen. Die ty–

pische schulische Situation, daß man

eine Aufgabe nach vorgegebenen Re-

"Wir haben

.

e1ne

falsche

Vorstellung

von EI ite."

geln löst, kommt ja im Alltag seltener

vor. Dort treten eher Probleme auf,

von denen man im Moment noch gar

nicht weiß, ob sie lösbar sind. Daher,

meine ich, müßten unsere Kinder in

den Schulen verstärkt dazu angeleitet

werden, kreativ an ein Problem heran–

zugehen.

Was genau bedeutet für Sie Kreati–

vität?

Ich verstehe darunter eine Wechselbe–

ziehung zwischen dem spielerischen

Ausprobieren von Neuem, das sich

auf Bewährtes abstützt, und kritischer

Analyse.

Kann man Kreativität lernen?

Auf jeden Fall. Ich würde sogar sa–

gen, es ist in allen Menschen ange–

legt, Kreativität lernen zu wollen.

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SCHULE

aktuell

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