Da wurden Adressenlisten ver–
schickt, Prospekte weiterge–
reicht, Einzelberatungper Tele–
fon oder schriftlich gegeben.
Schon bald zeichnete sich
eine Überraschung ab: Die
Wißbegierde unserer Leser ziel–
te nicht auf alle Bildungsgänge
und Schularten in gleicher Stär–
ke. Die Nachfragen bündelten
sich vielmehr in einer ganz be-
stimmten Richtung.
·
Eindeutiger Favorit der Frage–
steller waren alle Bildungsgän–
ge, die einen Berufsabschluß
bringen . Gefragt -waren also
zum Beispiel Schulen, wo man
Krankenschwester oder Grafi–
ker, Bademeister oder Ballet–
teuse, Hebamme oder Hotel–
fachmann wird, wo man den
Grundstein legt zum pädagogi-
hen und pharmazeutischen
;istenten, zum Techniker
Textillaboranten, zur Fach–
lehrerin oder Logopädin.
Das bedeutete: Die berufsbil–
denden Schulen standen im
Brennpunkt des Interesses. Von
hundert Anfragen richteten sich
nicht weniger als 75 allein auf
den Schultyp Berufsfachschule.
Im zwei- oder dreijährigen
Vollzeitunterricht bereitet man
dort junge Leute auf eine Viel–
zahl von Berufen vor, auf ge–
werbliche,
kaufmännische,
hauswirtschaftliche, sozialpfle–
gerische, technische, medi–
zin ische und künstlerische.
Voraussetzung für den Eintritt
in eine Berufsfachschule ist der
erfolgreiche oder qualifizieren–
de Hauptschulabschluß. Gele–
gentlich braucht man auch die
"Mittlere Reife". Fast 40000
Schüler besuchen derzeit Bay-
485 Berufsfachschulen .
arum fand gerade diese
Schulart so starke Resonanz?
Zuerst wohl deshalb, weil sie
Wege zu einer Vielzahl von Be–
rufen bahnt, die Aufstieg ver–
sprechen und Ansehen ge–
nießen .
Träumt nicht mancher junge
Mann von einer Karriere als
Werbegraphiker, sieht sich
heimlich als Silber- oder Gold–
schmied, als einflußreicher
Journalist
oder
gefeierter
Schauspieler? Mädchen ma–
chen da keine Ausnahme. Beim
Blick in die Zukunft sehen sie
sich gern als Sekretärin im
Chef-Vorzimmer, als weiße Fee
in der Arztpraxis.
Zweifellos : das Angebot un–
serer Berufsfachschulen ist at–
traktiv und geeignet, Jugend–
träume zu beflügeln . Leider
mußten die Antwortbriefe der
Redaktion darum auch man–
chen Höhenflug stoppen.
Sie mußten auf Auslesever–
fahren , Wartelisten und Probe–
zeiten hinweisen, auf gesund–
heitliche Eignung, M indestal–
ter, geforderten Notendurch–
schnitt und manche anderen
Hürden . Auch Illusionen über
das Angebot freier Arbeitsplät–
ze auf dem Stellenmarkt galt es
entgegenzutreten.
Aber mit dem Motiv "Traum–
beruf" ist das außergewöhnli–
che Interesse an den Berufs–
fachschulen nicht zu erklären.
Daneben steht ein anderes Mo–
tiv, eines das schwerer wiegt:
der LehrstellenmangeL Wo
Ausbildungsbetriebe
fehlen ,
dort wendet sich natürlich das
Interesse der Jugend auf Schu–
len, die einen Berufsabschluß
vermitteln.
Dies erhärten Beobachtun–
gen aus dem Leserecho. So kac
men z. B. 70 Prozent der Anfra–
gen aus Dörfern, Marktflecken
und Kleinstädten . Gerade dort
aber sucht man qualifizierte
Lehrstellen oft vergeblich .
ln die gleiche Richtung deu–
tet: Aus Oberbayern mit seinem
Lehrstellen-Supermarkt Mün–
chen kamen überraschend we–
nig Zuschriften. Dafür beteilig–
ten sich die ländlicli strukturier–
ten Gebiete Mainfrankens um
so stärker. So ergab sich fast
eine Art bayerisches Nord-Süd–
Gefälle in den Leserbriefen.
Dazu paßt eine weitere Be–
obachtung: Drei von vier Zu–
schriften kamen von Mädchen
und jungen Frauen . Dieser Per-·
sonenkreis aber hat oft beson–
ders viele Schwierigkeiten bei
der Suche nach Lehrstellen .
Was sonst noch auffiel : In–
nerhalb des lebhaften Interes–
ses, das die Berufsfachschulen
auf sich zogen, zeichneten sich
zwei Schwerpunkte ab. Der er–
ste lag auf den Schulen des Ge–
sundheitswesens.
Die technischen Assistenzbe–
rufe in Medizin und Pharmazie,
die Berufe des Pflegens und der
sozialen Hilfe, die man dort er–
lernt, weckten eine lebhafte
Nachfrage. Der Arbeitsplatz am
Krankenbett, in Heilstätten und
Rehabilitationszentren, in Arzt–
pr<!.xen
und
Laboratorien
scheint besonders begehrt zu
sein .
Mag der Traum von ein·em
"Beruf in Weiß" hier eine ge–
wisse Rolle spielen, weit stärker
spricht aus den Briefen aber die
Bereitschaft unserer jungen
Menschen zu helfen . Sie wol–
len für Kranke und Schwache,
für Bedürftige, Behinderte und
Benachteiligte da sein und
sorgen.
Dies paßt wenig zusammen
mit dem Gerede von der "Null–
Bock-Generation" und den an–
deren negativen Klischees, die
man der Jugend heute so gern
anhängen möchte.
Neben sozialen Hilfs- und
Betreuungsberufen bildete sich
ein zweiter Schwerpunkt bei je–
nen Berufen, die etwas mit
Kunst zu tun haben. Eine Men–
ge Nachfragen lösten dement·
Die Favoriten
der Frage·
steiler. Ce·
ordnet nach
der Anzahl
der Zu·
schritten:
Assistenzberufe in der
Medizin und Pharmazie
139
Graphik und Werbung
135
Freie und angewandte Kunst 126
Glas, Schmuck, Keramik,
Holz, Porzellan
95
Fachlehrer und päd.
Assistenten
90
Krankenpflege und
Kinderkrankenpflege
88
Photographie
85
Krankengymnastik,
Beschäftigungs· und
Arbeitstherapie
79
Fremdsprachen
63
Elektrotechnik und
Maschinenbau
59
Gymnastik und Massage
59
Journalistik
54
Schauspiel und Ballett
50
Hotel- und Gaststättenberufe 48
Geburtshilfe und
Wochenpflege
48
Kinderpflege und
Sozialpflege
37
Fachoberschulen
36
Diätassistenten
35
Schönheitspflege
35
Stimm- und Sprachtherapie 35
Musikausbildung
34
Arzthelferin
33
Agrarberufe
32
Berufsoberschulen
19
Technikerschulen
18
Hauswirtschaftliche Berufe
18
Kollegs, Abendgymnasium,
Abendrealschulen
17
Fachakademien
17
Bayer. Verwaltungsschule
15
Kaufmännische Fachschulen 12
sprechend alle Schulen aus, wo
man Glasmaler oder Designer
wird, wo Silberschmiede, Kera-
miker,
lnstrumentenbauer,
Graveure,
Gebrauchsgraphi-
ker, Bildhauer, Werbephoto–
graphen oder Innenarchitekten
ausgebildet werden.
Welche Motive sprechen aus
den Briefen der jungen Leute,
die hier nachfragen? Auch sie
wollen nicht aussteigen oder
sich abseilen, sondern anpak–
ken . Sie spüren Talent in sich ,
das formen und gestalten
möchte. Sie trauen es sich zu,
eine oft unwirtlich gewordene
Welt schöner, liebenswürdiger,
lebenswerter und für alle ange–
nehmer zu machen . · Warum
sollten wir uns nicht freuen dar–
über?
Bei soviel Interesse an jeder
Art beruflicher Ausbildung blie–
ben die allgemeinbildenden
Schulen fast ohne Rückfragen .
ln der ganzen Briefflut gab es
keine Zuschrift in Richtung Re–
alschule. Ein einziges Brieflein
begehrte Auskunft über Volks–
schulen, nur fünf trafen ein
zum Thema Gymnasium .
Auf den ersten Blick erstaun–
lich, bei näherem Hinsehen
aber sehr verständlich. Was
nämlich so bekannt ist wie un–
sere allgemeinbildenden Schu–
len, was man im ganzen Land
vor seiner Haustüre findet, dar–
über braucht man so rasch kei–
ne Zusatzinformationen.
Übrigens griffen nicht nur
Fragesteller zur Feder. Auch
Dankesbriefe kamen mit der
Post. Leser dankten für die klare
Information und den Rundblick
auf die Schullandschaft Noch
längst nicht jedermann kannte
sie bisher in ihrer Vielfalt und
Fülle.
Dank kam auch aus dem
Landtag: "Ich halte diese Dar–
stellung der bayerischen Schul–
landschaft für außerordentlich
verdienstvoll", schrieb der Vor–
sitzende der Regierungsfraktion
an den Kultusminister und
wünschte sich "eine möglichst
breite Streuung der hier zusam–
mengestellten Informationen ".
Wer darum die S&W-Ausga–
be 411983 nicht erhalten hat
und sich für die dort beschrie–
benen 5000 Schulbeispiele
Bayerns interessiert, der fordert
ein Freistück an bei der Redak–
tion in 8000 München 2, Salva–
torstraße 2. Postkarte oder An–
ruf unter Nr. 089/21 86-307 ge–
nügt - solange der Vorrat
reicht.
•
19