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Gesellschaftsstrukturen zu einer en–

geren Orientierung der Mädchen–

schulen am Bildungsangebot der

Knabenschulen . Jetzt fanden Fächer

wie Physik, Chemie, Englisch, Buch–

führung oder Kurzschrift auch Auf–

nahme in die Stundentafel der weiter–

führenden Mädchenschule, womit für

die berufliche Ausbildung der Frauen

eine bessere Grundlage geschaffen

wurde. Die in Bayern 1911 begonne–

ne Angleichung der schulischen Bil–

dung von Jungen und Madchen wur–

de in der Weimarer Republik durch

weitere Reformen vorangetrieben.

Dadurch wurden sowohl die Inhalte

als auch die Dauer der Schulausbil–

dung für Jungen und Mädchen immer

ähnlicher. Ein Mädchen hatte jetzt

z. B. die Möglichkeit, nach der 4. Klas–

se der GrUndschule ein sechsjähriges

Lyzeum oder ein neunjähriges Gym–

nasium zu besuchen.

Aber noch immer wurden die Mäd–

chen vor allem im Bereich der Gym–

nasien - sofern es die Gegebenhei–

ten erlaubten - an reinen Mädchen–

schulen unterrichtet. Die Koeduka–

tion, d. h. die gemeinsame Erziehung

von Buben und Mädchen in der Schu–

le, setzte sich in Bayern allgemein

erst nach dem Zweiten Weltkrieg

durch. Die meisten Knabenschulen

öffneten nun ihre Pforten auch den

Mädchen, und so manche Mädchen–

schule nahm jetzt Knaben auf. Auf

diese Weise verringerte sich in Bay–

ern die Zahl der reinen Mädchen–

gymnasien von 71 im Jahr 1961 auf

26 im Jahr 1990. Und im gleichen

Zeitraum nahm die Zahl der Mäd-

BESSERE%UKUNn5CHANCEN

chenrealschulen von 100 auf 71

Schulen ab. Träger dieser Schulen

sind auch heute noch vorwiegend die

Orden und die Kirchen.

Mit der Einführung der Koeduka–

tion war die Hoffnung verbunden, die

jahrhundertelange Benachteil igung

der Mädchen in der Schulbildung

endgültig zu beseitigen und ihnen

bessere Zukunftschancen zu bieten.

Heute steht Mädchen und Jungen das

gleiche Bildungsangebot offen. Häu–

fig werden die Mädchen sogar als

die eigentlichen Gewinner der Bil–

dungsreform der 60er und 70er Jahre

bezeichnet. Zeigen läßt sich das u. a.

daran, daß- bezogen auf alle Schü–

lerinnen bzw. Schüler der Jahrgangs–

stufe 8- im Jahr 1989 prozentual be–

reits mehr Mädchen die Realschule,

die Wirtschaftsschule und das Gym–

nasium besuchten als Jungen. Und

während 1960 nur etwas über 30 Pro–

zent der bayerischen Abiturienten

Bei der Wohl der Leistungskurse om Gymnasium entscheiden sich noch wie vor erheblich weniger

Mädchen als Jungen für die naturwissenschaftlichen Fächer Physik und Chemie.

Mädchen waren, lag der Anteil im

Jahr 1989 bei rund 49 Prozent, was

genau dem Anteil der Mädchen an

der Bevölkerung dieser Altersstufe

entspricht.

Allerdings hat sich bis heute der

sogenannte "heimliche Lehrplan"

nicht grundlegend geändert, so daß

Mädchen sich, wenn sie in Schule und

Beruf wählen, weiterhin eher für

Sprachen und den sozialen Bereich

entscheiden als für naturwissen–

schaftlich-technische Fächer und Be–

rufe. Es ist daher von verschiedenen

Seiten wiederholt die Frage aufge–

worfen worden, wie man dieses ein–

seitige Wahlverhalten verändern

könnte. Ein Lösungsansatz richtet sich

- auf den ersten Blick sicher eine

Überraschung -gegen die Koeduka–

tion, die man über Jahrzehnte hinweg

angestrebt hatte. Denn es gibt Anzei–

chen, die dafür zu sprechen scheinen,

daß sich Mädchen den naturwissen–

schaftlich-technischen Fächern an

Mädchenschulen eher zuwenden als

an gemischten Schulen . Deshalb wur–

de in jüngster Zeit vorgeschlagen, die

Koedukation ganz oder zumindest

für bestimmte Fächer aufzuheben .

Letzteres würde bedeuten, daß Mäd–

chen und Jungen, die ansonsten in

gemischten Klassen sitzen, zum Bei–

spiel in den naturwissenschaftlichen

Fächern Mathematik, Physik oder

Chemie getrennt unterrichtet werden .

Welcher Meinung man auch immer

in diesem Punkt anhängen mag,

wichtig erscheint es, daß sich alle an

der schulischen Ausbildung Beteilig–

ten der dargestellten Problematik be–

wußt sind und sie bei der pädagogi–

schen Arbeit berücksichtigen. So soll–

ten Mädchen schon während ihrer

MÄDCHEN·IECHNIK·IAG

schulischen Ausbildung immer wie–

der ermutigt werden, sich bei der Be–

rufswahl nicht nur auf bestimmte Be–

reiche zu beschränken, sondern die

ganze Palette der beruflichen Mög–

lichkeiten auszuschöpfen. Unterstützt

werden sollte dies von Betrieben und

Berufsorganisationen durch entspre–

chende Angebote. Als nachahmens–

werte Initiative ist hier zum Beispiel

der 1. Münchner Mädchen-Technik–

Tag voni März 1990 zu nennen. ln

persönlichen Gesprächen informier–

ten Ingenieurinnen angehende Ab–

iturientinnen über ihr Studium bzw.

ihre beruflichen

Tätigkeite~

und hal–

fen so, Vorbehalte oder Angste ge–

genüber technischen Berufen abzu–

bauen. DieTagung hatte ein so posi- _

tives Echo, daß sie wiederholt wird

und ähnliche Veranstaltungen auch

in anderen Regionen Bayerns ge–

plant sind . Dies könnte dazu beitra–

gen, das Selbstbewußtsein der Mäd–

chen so nachhaltig zu stärken, daß

sie bei der Berufswahl die eigenen

Fähigkeiten und Interessen in den

Vordergrund stellen und sich nicht

von veralteten Rollenbildern leiten

lassen.

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