Linie die Fertigkeiten, die sie zu einer
guten Hausfrau und Mutter werden
lassen, verbessern. Ihre Bemühungen
um mathematische Bildung stuft der
Bruder dagegen als "Nebensache"
ein, die nicht zur Vernachlässigung
der "Hauptsache" führen darf.
Dieses Schreiben dokumentiert au–
genfällig die Einschätzung, die bis
weit in das 19. Jahrhundert hinein
als Selbstverständlichkeit angesehen
wurde; eine Frau war demnach dazu
bestimmt, eine "geschickte Haushäl–
terin, würdige Gattin und Freundin
ihres Mannes und eine musterhafte
Mutter und Erzieherin" zu sein . Die–
.ses Rollenverständnis hat sich - aus
vielerlei Gründen - inzwischen deut–
lich gewandelt. Eng verknüpft mit
diesem Wandel ist die Entwicklung
der Mädchenbildung im 19. und 20.
Jahrhundert. Gerade die Verände–
rungen in diesem Bereich haben we-
sentlich dazu beigetragen, daß die
Mädchen heute nicht mehr aus–
schließlich auf die Rolle als Hausfrau
und Mutter festgelegt sind.
SCHULPFLICHT FÜR MÄDCHEN
ln Bayern hat die Geschichte der
Mädchenbildung ·am Anfang des 19.
Jahrhunderts einen markanten Ein–
schnitt - die Einführung der Schul–
pflicht. Im Jahr 1802 wurde durch ei–
ne Verordnung des Kurfürsten Max
Joseph bestimmt, daß "Kinder vom
6ten bis wenigst ins vollstreckte 12te
Jahr ihres Alters die Schule besuchen
sollten" . Der allgemeinen Formulie–
rung "Kinder" kann man entnehmen,
daß die Schulpflicht auch für Mäd–
chen galt, wenngleich man bemüht
war, in der sechsjährigen Volksschu–
le Mädchen und Buben getrennt zu
unterrichten, was aber nur in Städten
und größeren Landgemeinden mög-
lieh war. Auf jeden Fall sollte nach ei –
ner Anweisung für Lehrer von 1811
die "verschiedene natürliche und
bürgerliche Bestimmung des Kna–
ben . .. und des Mädchens" im Unter–
richt berücksichtigt werden .
ln beschränktem Umfang erhielten
die Mädchen im 19. Jahrhundert
auch Zugang zur " höheren" Schulbil–
dung. Zu diesem Zweck wurden in
Bayern sogenannte Höhere Töchter-
Deutfehes hefebuch
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Dr. D.
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Lesebuchtexte wie "Die Hausfrau in der Küche" sollten um 1900
die Mädchen auf ihre künftigen pflichten vorbereiten; auch
die damaligen Zeugnisse sind Dokumente einer vergangenen Epoche.
schulen gegründet. Die Träger waren
u. a. private Stifter, die Kirchen und
die Städte. Hervorzuheben sind hier
besonders auch die Frauenorden, die
durch ihre engagierte Arbeit in ihren
Schulen mithalfen, die Vorurteile ge–
genüber einer "höheren" Schulbil–
dung für Mädchen abzubauen.
Dennoch hatten die Höheren Töch–
terschulen um 1850 immer noch ein
Bildungsangebot, das mit jenem der
höheren Schulen für Knaben nicht
vergleichbar war. Die -Ausbildung
hatte zum Ziel, die Mädchen auf ihre
Pflichten als künftige Hausfrau und
Mutter und ihre Rolle im gesellschaft–
lichen Leben vorzubereiten . Darauf
waren auch die Unterrichtsfächer an–
gelegt. Die Mädchen wurden in Reli–
gion, Deutsch, Französisch, Weltkun–
de, Rechnen, Zeichnen, Gesang und
Handarbeit unterrichtet. Einige Schu–
len boten darüber hinaus noch "Lei–
besübungen" sowie Klavier-, Tanz–
und Anstandsunterricht an.
Um 1900 kam es im Zuge der durch
die Industrialisierung veränderten